Ein gutes Zeugnis ist nicht alles Lernwerkstatt Offenbach hilft jungen Menschen

Erfolgreiche Schüler und Pädagogen der Lernwerkstatt. Wenn die Ausbildung gut endete, interessiert niemanden mehr, wie der Schulweg verlief. Foto: Mangold

Offenbach (man) – Abiturienten nehmen am Unterricht in der Lernwerkstatt Offenbach an der Ludwigstraße nicht teil. Hier bereiten sich junge Leute auf Prüfungen vor, deren Schul- und Ausbildungsbiografie nicht immer so geschmiert verlief, wie erhofft, was nichts heißen muss. Die Geschichte kann dennoch gut ausgehen. Am vergangenen Freitag feierte die Lernwerkstatt an der Ludwigstraße zum Ende des Schuljahrs das erfolgreiche Ausbildungsfinale von sechs jungen Erwachsenen.

Auch Angela Schwan, vom Kommunalen Jobcenter Mainarbeit, folgte der Einladung. Schwan kümmert sich um junge Leute, deren Chancen auf dem ersten Ausbildungsmarkt nicht unbedingt blendend stehen, die mit einem Sack von Bewerbungen zur Post gehen und im eigenen Briefkasten nur Absagen finden. Wenn überhaupt.

Dann heißt es herauszufinden, ob der Jugendliche momentan überhaupt geeignet und willens sei, eine Ausbildung zu absolvieren. Die Zeugnisse alleine hätten keine absolute Aussagekraft, „jeder weiß, die können auch als Blendwerk dienen“. Relevant sei vor allem, ob jemand arbeitsfähig ist, bereit, sich reinzuknien, „nur dann schicken wir ihn zu einem kooperativen Ausbildungsträger wie der Lernwerkstatt“.

Michelle Farys war eine davon. Auf den Erfolg der 21-Jährigen hätte wohl nicht jeder alles gesetzt. Farys ging mit dem qualifizierten Hauptschulabschluss ab und begann eine Ausbildung als zahnmedizinische Fachangestellte. Nach einem Jahr beschlich sie das Gefühl, „das ist nichts für mich“. Das verdichtete sich nach dem zweiten. Schließlich brach sie ab.

Die Mainarbeit schickte die junge Frau über einen Umweg zur Lernwerkstatt. Leiter Koryoun Khosrovafian erinnert sich in seiner Ansprache, wie „wir erst versucht haben, dich zu motivieren, dass du deine Ausbildung beendest“. Das klappte nicht. Michelle Farys formulierte ihr Unbehagen bei der Aussicht, den medizinischen Assistenzberuf für den Rest des Lebens auszuüben. Nach Gesprächen habe sich herauskristallisiert, dass eine Ausbildung zur „Kauffrau für Büromanagement“ in Frage komme. Das funktionierte. In der Prüfung packte Farys eine Zwei. Das nächste Ziel: „Nach drei Jahren in Arbeit will ich meinen Bilanzbuchhalter machen.“

Auf eine Biografie mit Hindernissen blickt Luminita Culicovschi zurück. Wäre die 23-Jährige in Deutschland geboren, hätte sie wohl längst ihren Bachelor in einem Studiengang wie Betriebswirtschaft in der Tasche. Culicovschi siedelte 2009 von Moldawien nach Offenbach. Zwei Jahre später bekam sie ein Kind: Mit 17 im Status der Alleinerziehenden verheißt normalerweise keine rosige Zukunft. Dennoch schaffte die fließend deutsch redende Frau, die neben Englisch noch Rumänisch und Russisch muttersprachlich beherrscht, den Realschulabschluss.

Die Mainarbeit stellte den Kontakt zur Lernwerkstatt her. Mit Döne Gündüz, zuständig für Qualifizierung und Orientierung, führte Culicovschi Gespräche, die in einer Ausbildung zur Steuerfachangestellten mündeten. Für ihre Tochter fand sich ein Kindergartenplatz bis 17 Uhr.

Nach einem Praktikum fing Culicovschi in einer Offenbacher Steuerkanzlei an. Die Lehre sollte drei Jahre dauern, endete aber bereits erfolgreich nach zwei, unter denkbar widrigen Umständen. Im Sommer 2016 erlebte sie als Beifahrerin einen schweren Autounfall. Jemand hatte die Vorfahrt missachtet. Ein viertel Jahr lag die Frau im Krankenhaus. Im November wurde sie, mittlerweile verheiratet, schwanger. Kein Signal, die Segel zu streichen. Bevor das Kind zur Welt kommt, wollte sie unbedingt die Ausbildung mit gutem Abschluss beenden. Enorm geholfen habe ihr der Fachlehrer Bernd Gans von der Lernwerkstatt, „der übte in Extraschichten mit mir“. Noten und Timing hauten hin. Für Anfang August steht die Geburt im Kalender.