Wiederbelegungsmaßnahmen in Corona-Zeiten: Offenbacher Arzt erklärt, wie man sich beim Helfen schützt Mediziner beobachten sinkende Hilfsbereitschaft

Dr. Daniel Kiefl ist Leiter der Klinik für Interdisziplinäre Notfallmedizin am Sana Klinikum Offenbach. Foto: p

Offenbach (red) – Der plötzliche Herzstillstand tritt schnell und oft völlig unerwartet ein. Jedes Jahr sterben etwa 65.000 Menschen in Deutschland an einem plötzlichen Herz-Kreislauf-Versagen, überwiegend sind es ältere Menschen. Aber auch Jüngere kann es treffen. Tritt der medizinische Notfall ein, hängt die Überlebenswahrscheinlichkeit ganz wesentlich davon ab, wie frühzeitig mit einer Wiederbelebungsmaßnahme begonnen wird. Da professionelle Rettungskräfte aber oft frühestens nach sieben bis acht Minuten vor Ort sein können, kommt der Ersten Hilfe durch Personen, die vor Ort sind, eine lebensrettende Rolle zu.

Doch Erste Hilfe zu leisten mutet in Corona-Zeiten noch schwieriger als sonst an, denn viele Ersthelfer befürchten, sich bei den Wiederbelebungsmaßnahmen anzustecken. Nach wie vor Corona gilt der Grundsatz Prüfen, Rufen, Drücken, Schocken. Diese vier überlebensentscheidenden Maßnahmen sind im Grunde simpel und ohne Spezialwissen von jedem Laien umsetzbar“, betont Dr. Kiefl, Leiter der Klinik für Interdisziplinäre Notfallmedizin am Sana Klinikum Offenbach. Dennoch löst diese Notfallsituation bei den meisten Beteiligten Angst aus. Diese wird durch eine mögliche Ansteckung mit Corona noch potenziert. Doch es gibt Möglichkeiten zu helfen, ohne sich dabei selbst zu gefährden. „Um das Infektionsrisiko zu minimieren, kann deshalb die Wiederbelebung modifiziert werden“, beruhigt Dr. Kiefl. „Die übliche Reihenfolge ‚Prüfen - Rufen - Drücken - Schocken’ bleibt zwar gleich, in ihrem Ablauf allerdings sinnvoll ergänzt“, erklärt Kiefl. Man könne es nun so ausdrücken: „Im begründeten Verdachtsfall vorsichtig prüfen – bereits im geringsten Zweifelsfall Hilfe rufen – und sich selber mit Mund-Nasen-Schutz schützen und drücken“.

Fehlt die Reaktion auf eine laute Ansprache beziehungsweise Rütteln und ist keine atemsynchrone Bewegung des Brustkorbes sichtbar, zählt schnelles Handeln und ein sofortiger Notruf (112) – auch im Zweifelsfall.“ Während man sich früher zur Überprüfung der Atmung nah zum Gesicht gebeugt hat, sollte man sich nun auf die Beobachtung des Brustkorbes nach Überstrecken des Nackens konzentrieren. „Beginnen Sie unverzüglich mit der Herzdruckmassage am besten mit Mundschutz und führen Sie diese kontinuierlich ohne Unterbrechung bis zum Eintreffen der Rettungskräfte oder bis die Person wieder normal atmet durch“, betont Dr. Kiefl. Am leichtesten geht dies im Rhythmus des Liedes „Stayin’ Alive“ von den Bee Gees oder von Helene Fischers „Atemlos durch die Nacht“ (Geschwindigkeit circa zwei Kompressionen pro Sekunde, mindestens fünf Zentimeter tief). Dabei sollten die Arme gestreckt sein. Der Helfer beugt sich so weit über den Verletzten, dass der Druck senkrecht von oben auf den Brustkorb wirkt.

Atemspende wird nicht mehr empfohlen

Eine Atemspende empfehlen die medizinischen Fachgesellschaften generell nicht mehr und kann vor allem in Corona-Zeiten unterbleiben. Sofern vorhanden, sollte auch ein Defibrillator (AED - Automatische Externe Defibrillatoren) eingesetzt werden. In der ersten Minute angewendet kann dies die Überlebenswahrscheinlichkeit auf 95 Prozent erhöhen. Ist ein zweiter Helfer vor Ort und bekannt, wo sich der nächste Defibrillator befindet, kann einer diesen holen, während der andere ununterbrochen weiter reanimiert. Diese Geräte sind speziell darauf ausgelegt von Laien ohne jegliche Erfahrung bedient zu werden.

Leider beobachten die Notfallmediziner derzeit einen Anstieg der Herz-Kreislauf-Stillstände, da oft viel zu spät medizinische Hilfe in Anspruch genommen wird und gleichzeitig die Hilfsbereitschaft sinkt. „Bitte keine falschen Hemmungen“, appelliert Dr. Kiefl. Denn bereits drei Minuten nach einem Herzstillstand beginnt das Gehirn abzusterben. Studien haben gezeigt, dass bei einem plötzlichen Herzstillstand eines Erwachsenen für etwa acht Minuten ausreichend Sauerstoff im Blut vorhanden ist. Dieser erreicht jedoch das Gehirn nur, wenn er mittels Herzdruckmassage dorthin gepumpt wird. „Wenn Laien also frühzeitig mit Reanimationsmaßnahmen beginnen, kann dieses Zeitfenster überbrückt werden“, betont der Offenbacher Experte. „Auch in Corona-Zeiten gilt: Man kann nichts falsch machen – also drücken Sie!“