Sophie Hestermann schließt als Klassenbeste ab Meisterschule für die Führungskraft von morgen

Sophie Hestermann kümmert sich mit ihrer Kolonne um die Grünanlagen auf der Hafeninsel. Foto: p

Offenbach (red) – Wenn man nach Ausbildung und Übernahme in den Beruf die freien Feierabende genießt, ist es schwierig, sich noch mal für die Meisterschule aufzuraffen. Sophie Hestermann hat sich dieser Herausforderung sehr erfolgreich gestellt: Nach einjähriger Betriebszugehörigkeit zum Stadtservice der Stadtwerke Offenbach ist sie als Klassenbeste mit dem Notenschnitt von 1,86 Meisterin im Landschafts- und Gartenbau.

Erleichtert wurde der 26-Jährigen die Fortbildung durch ihren Arbeitgeber, der sie organisatorisch und auch finanziell bei den Kosten für die Meisterschule unterstützte. „Wir reagieren damit auf den Wandel der Arbeitswelt“, sagt Heiko Linne, Betriebsleiter der ESO Stadtservice GmbH, „es wird immer schwieriger, auf dem freien Arbeitsmarkt vor allem Ersatz für Führungskräfte zu finden. Deshalb bilden wir selbst verstärkt aus, qualifizieren aber auch engagierte und talentierte Mitarbeiter im Bestand weiter.“ Damit werde nicht nur die Leistungsfähigkeit der Gesellschaft erhöht, auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter selbst würden motiviert, weitere Erfolge im Beruf anzustreben.

Dazu gehöre auch, gewerblichen Mitarbeitern, bei denen es immer weniger Nachwuchs gebe, bei entsprechendem Engagement beispielsweise die immer teurer werdenden Führerscheine für Lastwagen, Pritschen oder Kehrmaschinen mit zu finanzieren. Die Meisterschule sei deshalb nur eine Möglichkeit, Nachwuchs zu fördern.

Sophie Hestermann hatte nach dem Abitur im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes in einem Tierheim gearbeitet. „Danach stand für mich fest, dass ich viel im Freien arbeiten möchte“, erzählt sie. Nach einem hervorragenden Abschluss einer Gärtnerlehre fing sie in einem anderen Betrieb an. In dieser Zeit erzählte ihr ein Bekannter, der bei der OPG Offenbacher Projektgesellschaft mbH der Stadtwerke Offenbach als Architekt arbeitet, wie zufrieden er mit seinem Arbeitgeber ist und dass die Stadtwerke Gärtner suchten. Der Wechsel nach Offenbach kam schnell zustande und beide Seiten waren sehr zufrieden. „Ich bin in eine Kolonne gekommen, die von Anfang an wie eine Familie für mich war“, schwärmt sie. „Sophie war vom ersten Tag an engagiert und interessiert und hat gezeigt, dass sie Potenzial hat“, sagt Johannes Irgel, als Leiter der Abteilung Service öffentlicher Raum zuständig für das Stadtgrün und die Straßenreinigung. „Wenn wir solche Leute halten wollen, müssen wir ihnen auch etwas bieten. Darüber habe ich mit Sophie Hestermann gesprochen. Die Meisterschule war die logische Konsequenz.“

Für diese Ausbildung kommt nicht jeder in Frage. „Interesse, Können, Wollen und Ausdauer müssen vorhanden sein, zudem muss die Lebenssituation passen“, sagt Johannes Irgel. „Wer erst mal zehn Jahre jeden Tag draußen als Gärtner gearbeitet hat, will nicht mehr zwingend noch mal an die Schule.“ Für Sophie Hestermann war das kein Problem. „Aber ich habe es mir leichter vorgestellt“, sagt sie rückblickend. Ihr kam aber das Modell an der Hanauer Berufsschule entgegen: In den Wintermonaten, in denen Gärtner ohnehin weniger zu tun haben, wurde in Vollzeit von Montag bis Samstag unterrichtet, danach gab es Blockunterricht, um den Schülerinnen und Schülern die Arbeit im Beruf zu ermöglichen. „Meine Abschlussarbeit habe ich während des ersten Lockdowns geschrieben“, erzählt sie. „Weil ohnehin nichts los war, hatte ich auch keine Ablenkung.“

Nun soll der nächste Kollege aus der Baumkolonne gefördert werden: Er möchte seinen Abschluss als geprüfter Fachagrarwirt Baumpflege und Baumsanierung 2021 machen. Sophie Hestermann ist unterdessen wieder im Job engagiert: „Am schönsten ist es, Beete neu anzulegen, am nervigsten, Schotterflächen von Unkraut zu befreien und Hundehaufen wegzuräumen.“ Dass sie eines Tages Führungskraft werden soll, sieht sie entspannt: „Ich habe während der Meisterschule gemerkt, dass ich auch am Schreibtisch gut arbeiten kann.“ Nach ihrer größten Schwierigkeit in dem von Männern dominierten Beruf gefragt, kommt ihre Antwort spontan: „Es ist echt nicht so leicht, Arbeitsschutzschuhe in Größe 36 zu bekommen.“