Rodungsarbeiten für Ausgleichsfläche Ein neues Zuhause für den Neuntöter am Ende der B 448

Der Neuntöter soll im Osten Offenbachs heimisch bleiben. Foto: NABU/Maik Sommerhage

Offenbach (red) – Im Wohngebiet An den Eichen werden bald die letzten Brachflächen bebaut. Dann wird es allmählich eng für den besonders geschützten Neuntöter. Wenn der Singvogel aus seinem warmen Winterquartier zurückkehrt, soll er deshalb am Straßenstumpf der B448 ein neues Brut- und Jagdrevier vorfinden. Zwischen Stadion und Lohwald beginnen dazu in den nächsten Tagen Rodungsarbeiten.

Seinen martialischen Namen verdankt der Sperlingsvogel aus der Familie der Würger seinem eher ungewöhnlichen Beuteverhalten. Denn der Neuntöter mit seinem falkenähnlichen Oberschnabel mit ausgeprägtem Haken legt sich für den kleinen Hunger zwischendurch gerne einen Nahrungsvorrat an.

Hierzu, aber auch zur besseren Bearbeitung erlegter Großinsekten wie Käfer und Heuschrecken oder auch schon mal junger Feldmäuse oder Reptilien, spießt er seine Beute gerne wie ein Schaschlik auf Dornen oder spitzen Zweigen auf. Dass er erst mit seiner Mahlzeit beginnt, wenn neun Beutetiere auf diese Weise angerichtet sind, hat ihm fälschlicherweise der Volksmund angedichtet und ihn deshalb Neuntöter genannt.

Mit dem Belcanto hat es der Neuntöter nicht so. Der Gesang des bis zu 18 Zentimeter großen Singvogels ist eher rau und verhalten. Und so richtig ins Zeug legt sich das farbenfroh gefiederte Männchen mit seinem rostroten Rücken und dem markanten schwarzen Augenstreif ohnehin eher nur auf der Balz. Sowie er ein Brutrevier besetzt hat, lockt er die weniger auffällig gefiederte Weiblichkeit mit markanten Dschäa-Rufen oder imitiert zwischendurch auch schon mal die Laute anderer Arten. Zwei Brutpaare des zwar von der Roten Liste genommenen, dennoch weiterhin besonders geschützten Lanius collurio hat das Staufenberger Ingenieurbüro für Umweltplanung (IBU) zuletzt auf den nördlichen Brachflächen im Neubaugebiet An den Eichen beobachtet.

Im Auftrag der Stadtwerketochter OPG Offenbacher Projektentwicklungsgesellschaft mbH, die das Gebiet im Auftrag der Stadt entwickelt und vermarktet, hat das Büro einen artenschutzrechtlichen Fachbeitrag zum Bebauungsplan 618B „Waldheim Süd, nördlicher Teil“ erarbeitet. In dieser Expertise hat es Empfehlungen gegeben, wie für dort nistende Vogelarten, vorrangig für den Neuntöter, neuer Lebensraum geschaffen werden kann.

3000 Quadratmeter müssen hergerichtet werden

Dieser artenschutzrechtliche Ausgleich ist erforderlich, weil nun in zwei Schritten auch der zweite, nördliche Bauabschnitt des Wohngebiets in Richtung Bahnlinie erschlossen wird. Sollten die An den Eichen gesichteten Zugvögel im Frühjahr aus ihrem Winterquartier im Süden Afrikas nach Offenbach zurückkehren, wird es für sie An den Eichen eng werden. Denn zeitgleich sollen die Erschließungsarbeiten im ersten Realisierungsabschnitt beginnen. Fürs Erste verbleibt den Vögeln dann im Plangebiet zwar noch eine ausreichende Habitatfläche. Doch schon ein Jahr später soll auch der zweite und letzte Realisierungsabschnitt bebaut werden.

Der Neuntöter, der gerne in Dornengebüsch nistet und von exponierten Orten wie jungen Bäumen oder Zaunpfählen aus sein Revier überblickt, bevorzugt für seine Jagd eine halboffene, buschreiche Landschaft mit gut überschaubarem, insektenreichen Magerrasen. Dieser Biotoptyp jedoch ist in der fortschreitend ausgeräumten und zersiedelten Landschaft selten geworden. Nur unweit entfernt vom Baugebiet, am Ausbau-Ende der Bundesstraße 448 zwischen Sparda-Bank-Hessen-Stadion und Lohwald, soll der Neuntöter jetzt ein neues Zuhause erhalten. Dazu muss die 3000 Quadratmeter große städtische Ausgleichsfläche, auf die sich Umwelt- und Stadtplanungsamt sowie OPG und IBU verständigt haben, aber erst hergerichtet und einige Bäume und Gehölze entfernt werden.

Mit den Rodungsarbeiten wird die ESO GmbH aus dem SOH-Geschäftsfeld Stadtservice in den nächsten Tagen beginnen. Um eine Verdichtung des Bodens durch die schweren Fahrzeuge zu vermeiden, hat die Stadtwerke-Tochter anhaltende Frost-Temperaturen abgewartet. Das früher wahrscheinlich beweidete Gebiet zwischen Waldrand und Straßensaum ist stark verbuscht und durch Bäume und Gehölze verschattet. Brombeersträucher bilden ein dichtes Dickicht. Und vor allem mit nicht standortgerechten Robinien, die die Artenvielfalt stark beeinträchtigen, hat sich der Wald immer weiter ausgeweitet.

Die Brombeeren werden nun komplett entfernt, außerdem insgesamt etwa zehn Bäume, neben den Robinien auch junge Birken und Espen mit weniger als 20 Zentimetern Durchmesser. Auf der gerodeten Fläche wird der teils noch erhaltene Magerrasen durch gezielte Pflege weiter entwickelt. Einzelne Eichen am Waldrand sowie vor allem die zentrale große „Huteeiche“, die noch an die frühere Beweidung erinnert, bleiben erhalten. Ebenso ein schmaler Gehölzgürtel, der das Habitat zur Straße hin schützen soll. Von der hölzernen Absperrung bleiben die Pfosten stehen, die Querstreben werden entfernt.

Ziel ist es, diesen dicht bewachsenen Waldrandbereich wieder in seinen ursprünglichen Zustand zurückzuführen, die Fläche zu öffnen und an das angrenzende Offenland anzuschließen. Dann muss nur das Neuntöter-Männchen die neue Fläche entdecken und, wenn es das Revier besetzt hat, ein Weibchen anlocken. Denn einfach umquartieren, so wie Amphibien und Reptilien, lassen sich die Brutvögel An den Eichen nicht. Die Experten setzen deshalb auf eine natürliche Ansiedlung.