Galerie Sight zeigt Werke des Künstlers Bernd Wolf Nur mit Händen und Caseinfarben

Abstrakte Farblandschaften: Galeristin Sabine Krempel vor einer Maltafel des Künstlers Bernd Wolf, dessen Werke nun in der Galerie Sight zu sehen sind.

Offenbach – „Absichtslose Malerei – unintentional“ – was ist das nun wieder? Der vor zwölf Jahren zu früh verstorbene Maler Bernd Wolf (1953-2010) hat diesen Begriff zu seiner neuartigen Malerei geprägt, nur mit den Händen auf Nesselleinwand aufgetragen und eingerieben. Jedenfalls ist diese Kunst so begehrt, dass sie inzwischen in großen Museen, auf Kunstmessen sowie in Privatsammlungen und Galerien vertreten ist. Nun zeigt Sabine Krempel dazu eine wunderschöne Retrospektive in ihrer Kunstvilla im Offenbacher Westend.

Im Beisein von Bernd Wolfs Vorbild und Lehrer Raimer Jochims, langjähriger Leiter der Städelschule, eröffnete Krempel die Schau zum beeindruckenden Leblenswerk. Wolfs abstrakte, konstruktive wie „absichtslose“ Maltafeln setzen die gegenstandslose Malerei fort, die nach dem Zweiten Weltkrieg von Frankfurt, Darmstadt und Offenbach aus deutsche Moderne prägte. Bevor Wolf geboren wurde, erneuerte ab 1952 die informelle Frankfurter Künstlergruppe „Quadriga“ die Malerei, zuvor durch die Nazis als „entartet“ von der Weltkunst abgeschnitten. Zu deren Pionieren gehörte auch Heinz Kreutz, der mit gemalten „Hymnen an das Licht“ neue Malwelten eroberte. In den 70er Jahren verbreitete Kreutz diese Ideen als Dozent an der Offenbacher Hochschule für Gestaltung. Nach der Quadriga ist für Wolfs Weg Jochims sehr wichtig, der Städel-Professor für Malerei und Kunsttheorie, für den Farbe und Form bedeutend für menschliche Identitätsfindung sind: „Farbe ist Leben“.

Wolf studiert Philosophie – wie sein Lehrer. Auf Erkundungsreisen, auch beim mehr als 1 200 Kilometer langen Fußmarsch von Frankfurt nach Cap Ferret in Südwestfrankreich, erobert sich der Sinnsucher neues Denken und Fühlen. Das bringt er mit dem zusammen, was er aus japanischer Philosophie und Kunst gelernt hat – in täglicher Balance zwischen den chinesischen Lebenspolen Yin und Yang. Dazu gehören Fragen wie „Wo liegt das Helle im Dunkel, das Drinnen im Draußen, das Warme im Kalten?“ Auch in der Kunst lehnt Wolf Herrschaft und Manipulation im Produktionsprozess ab. Ab Ende der 1960er Jahre verzichtet er deshalb auf Arbeitsmaterialien wie Pinsel oder Spachtel, die er im frühen Werk für seine geometrischen Formen und Strukturen wie für seine Farbformen noch benötigt hat. Wolfs Hände und Caseinfarben werden zum ausschließlichen Malwerkzeug.

Man sieht es an lichtintensiven Maltafeln, zuweilen aus dem Quadrat oder Rechteck gelöst, wie vielschichtig sich Wolf in tief wirkende Bildräume und abstrakte Farblandschaften eingearbeitet hat. Dabei wollen seine Handbilder nichts darstellen. Sie zeigen Farbballungen, die wie Wolken übers Bild ziehen. Oder wirken wie undefinierbare Wettererscheinungen, Rauchschwaden oder Visionen von Landschaften, bei denen es kein Oben und Unten gibt. Wolf kreist beim Malprozess stetig um die auf dem Boden liegende Leinwand und trägt seine Farben intuitiv mit reibenden, kreisenden und wischenden Bewegungen auf. Deren Richtung, Druck und Geschwindigkeit kann man noch erkennen, obwohl der Künstler bis zu 30 Schichten übereinanderlegt. Wolfs Absicht bleibt dabei gleich: Absichtslos schaffen, nichts erreichen müssen, innerlich erreicht und berührt werden vom ungeplanten Arbeitsprozess. Gelang ein Bild auf Anhieb, ist er enttäuscht: „Scheitern schafft mehr Energie, Bilder sind Batterien. Ich speichere Energien in ihnen, die der Betrachter für sich anzapfen kann.“ Erst kurz vor der Fertigstellung stellte Wolf die Leinwände aufrecht, um einige Modifikationen vornehmen zu können…

Wenn man diese zauberhafte, energetisch aufgeladene Malerei, die nichts vorstellt und nichts vorspiegelt, vor sich sieht, ist das eine beglückende Erfahrung. Beim Eintauchen in die sinnlichen wie transzendenten Botschaften können alle Kunsttheorien schweigen. Dem Kunstfreund ist das Fühlen der Farbräume, der Farbbotschaften und der Farbklänge unverfälscht möglich in der Galerie Sight. Krempel setzt dazu eigene Akzente in die Räume mit nicht ganz so absichtslosen, aber gegenstandslosen Skulpturen von Alexander Heil, Christian Rudolph und Jörg Bach.

z 0157 83026658 zu sehen.

Von Reinhold Gries