Kapitulation nach Konfettibeschuss Offenbacher Narren stürmen das Rathaus

Dreimal lässt Kanonier Mirko Pröscher die Konfettikanone knallen, dann dürfen die Narren ins Rathaus. Foto: Mangold

Offenbach (man) – Offiziell geht der Sturm auf das Rathaus um 13.11 Uhr los, doch am vergangenen Samstag ziehen die Offenbacher Narren schon lange vorher durch die Innenstadt. Am Rathaus herrscht derweil Vorbereitungsstimmung. Dezent läuft am Getränkestand des Offenbacher Karnevalverein (OKV) Liedgut, das aufklärt, wie es in Regionen jenseits Hessens zugeht: „An der Nordseeküste, am plattdeutschen Strand, sind die Fische im Wasser und selten an Land.“

Manche verharren auch im KOMM-Center, wie etwa Andy Bohn, Offenbachs „Kultreporter“, den die Produzenten der RTL-Show „Supertalent“ seit den letzten vier Staffeln als Running Gag buchen. Dass sich das Verhältnis zwischen Offenbach und der Nachbarschaft flussabwärts zunehmend lockert, beweist auch der Besuch der 1. Deutschen Marching Band The sound of Frankfurt, die auf der Frankfurter Straße unter anderem „I want you back“ der Jackson 5 virtuos intoniert. Hinter der Truppe schreitet die Offenbacher Bürgergarde von 1985.

Einst dienten die Uniformen und die Orden als Verhohnepipelung der napoleonischen Besatzungstruppen. Dann wechselte die Persiflage ins ernste Fach. Die Akkuratesse, mit der die Musiker der Spielmannszüge ihre Instrumente absetzen, bekommt ein Musikkorps der Bundeswehr nicht eindrucksvoller hin. Und die Frage, wer einen Orden umgehängt bekommt und wer nicht, ist auch in der Narrenwelt längst ein Politikum.

Alljährlich organisiert der OKV den Rathaussturm. Dann steht stets so ziemlich die komplette Offenbacher Narrenaristokratie bereit, darunter OKV-Chef Klaus Kohlweyer, sein Vize Thomas Isser, Hofmarschall Robert Pies oder Senatspräsidentin Ursula Ölcer. Sie ist die einzige der Genannten, die noch nicht als Teil eines Prinzenpaars agierte. Das kann sich ändern. Selbstverständlich präsentieren sich mit Melanie und Andreas Hümmer auch die aktuellen Hoheiten.

Der Reiz des Rathaussturms, der liegt im Ritual. Der Oberbürgermeister leistet auf dem Beamtenschiff lange verbalen Widerstand, um am Ende doch die weiße Fahne zu hissen. „Du Rathausschlumpf, geb jetzt mal Acht, in Offenbach iss Fassenacht“, informiert der Landesverweser Manfred Roth den OB.

„Du Rathausschlumpf, geb jetzt mal Acht, in Offenbach iss Fassenacht“, informiert der Landesverweser Manfred Roth den OB. Felix Schwenke returniert die finanziellen Forderungen seines Kontrahenten: „Du schwarzbefrackter Fastnachtswicht, du bist im Kopf wohl nett ganz dicht.“ Er pausiert einen Moment, um im Publikum nach Magistrats- und Parlamentsmitgliedern parteipolitisch anderer Provenienz zu fahnden. Der Oberbürgermeister will den Eindruck vermeiden, bei der Besetzung der Phalanx auf dem Wagen sei gemauschelt worden. Mit ihm, Yasmin Mahlow-Vollmuth, Stadtverordnetenvorsteher Stephan Färber und Lutz Plaueln stehen nur Sozialdemokraten oben auf. „Auch die anderen sind willkommen, das Rathaus zu verteidigen“, lädt der Oberbürgermeister vergeblich ein.

Dem Landesverweser steht der OKV-Till bei, den seit Ewigkeiten Karl-Heinz Eitel gibt, der für jeden Rathaussturm den von ihm gereimten Disput der Aktualität anpasst. Auch Till spricht von Textilien: „Du rote Socke, Rathausclown, mir wer‘n dir gleich dein Frack verhaun“. Die Konsequenz: „Du willst nett hörn? Dann Feuer frei, zielt mitte hier ins Rathaus nei.“ Dem Befehl folgt der Kanonier Mirko Pröscher prompt. Nachdem der Vorsitzende der Elfer von 1896 e.V zum zweiten Mal Konfetti regnen lässt, strecken die Verteidiger die Fühler: „Hilfe, Hilfe, haltet ein. Wir vom Rathaus sehn’s ja ein.“

Schwenke schwenkt die weiße Fahne, der Till und der Fastnachtsprinz entern das Beamtenschiff und der Oberbürgermeister formuliert die Kapitulation: „Dem Narrenvolk geb ich’s bekannt, ich leg’ den Schlüssel in die Hand – dem Andy, und es sei gedacht, die Narren haben jetzt die Macht.“ Kultreporter Bohn filmt wie immer das Geschehen.