„Late-Night-Show“ im Interdisziplinären Büro für Gestaltung lockt Besucher Politische Musik und Periode: Poetry-Slammer zeigen Können

Lara Ermer spricht von dem vergeblichen Versuch, beim Sex die Würde zu bewahren. Foto: Mangold

Offenbach (man) – Sex in Hollywood setzt die Gesetze der Gravitation außer Kraft. Mama schaut zwar beim ersten Fußballspiel zu, bei der Premiere im Bett bleibt alles Ungeschick zum Glück von außen unbeobachtet. Beim Poetry-Slam geht es lockerer zu als bei Lesungen. Die Autoren verstehen sich auch als Darsteller. Ihr Œuvre betrachtet Lara Ermer kritisch im Detail. Zu Beginn ihrer Dichterkarriere habe sie „relativ beschissene Lyrik“ verfasst. Mit der Zeit sei ihr aber in den Sinn zu kommen, sich Themen zu widmen, „von denen ich etwas verstehe, wie Menstruation“. Das motiviere jedoch so manchen Zeitgenossen, ihr Drohmails zu senden. Dabei falle ihr ein Paradoxon auf, „blutig will man mich erstechen, weil ich über Blut schreibe“.

Seit Dezember 2017 laden die Offenbacher Poetryslamer Samuel Kramer und Finn Holitzka regelmäßig Protagonisten aus der Kleinkunst- und Musikszene zur gemeinsam geplanten „Late-Night-Show“ ein. Der Designer Lutz Jahnke stellt an der Ludwigstraße 112A sein Interdisziplinäres Büro für Gestaltung zur Verfügung.

Für den vergangenen Samstag sicherten sich die beiden Veranstalter durch einen Blick ins Feiertagsgesetz ab, „am Karfreitag ist Tanz und Treibjagd verboten“. Einen Tag später müssen sich die gut 80 Gäste erst recht nicht davor fürchten, die Polizei könnte plötzlich auftauchen und Holitzka bei seinem Vortrag in die Parade fahren. „Kassiber in Leuchtschrift“, lautet die Überschrift zum Abend.

Eine Frau erzählt ihrer Freundin vom Erlebnis mit einem Russen aus St. Petersburg, „der hat immer vor dem Vögeln die Füße gewaschen“. Keine Marotte, die stören müsste, doch der Russe habe es auch auf ihre Füße abgesehen und sei mit einer Schale voll Wasser erschienen, „weil ich mich geweigert habe, ins Bad zu gehen“.

Die Mainzerin Daria Miller schreibt ihre eigenen Lieder zur E-Gitarre. Im Gegensatz zu manchen aus ihrer Kollegenschaft versteht es Miller, die Lautstärke des Instruments zum eigenen Gesang fein abzustimmen. Die 20-Jährige begreift sich als politische Musikerin und trägt einen Song vor, den sie bei einer Gegendemonstration zu einer AfD-Veranstaltung intoniert habe. Letztlich wirkt es verquastet, wenn eine deutsche Muttersprachlerin vor deutschsprachigem Publikum auf Englisch aufklären will. Inhalte lassen sich so nicht vermitteln.

Ihren Stil fand Lara Ermer längst. Die 22-jährige Fränkin bekam letztes Jahr den Kulturförderpreis ihrer Heimatstadt Fürth verliehen. Mittlerweile studiert sie in Frankfurt und schreibt nicht nur von ihrer Periode, sondern auch über Geschlechtsverkehr. Die Premiere im Bett vergleicht die Vortragende mit ersten Versuchen beim Sport: „Als Anfänger reicht es meistens nur für eine lieblose Teilnehmerurkunde.“ Anders als beim Sport stehe beim Sex jedoch „keine stolze Mutter am Spielfeldrand, die für dich applaudiert“.

Anschaulich beschreibt sie die Realität der Erotik, die so gar nichts mit den aseptischen Bettszenen à la Hollywood gemein hat, in denen die Gesetze der Schwerkraft keine Rolle spielen, „er hebt sie hoch und presst sie an die Wand, denn sie ist leicht wie eine Feder“. Außerdem müssen die makellosen Filmschönheiten keine Angst vor sinkendem Erregungspegel haben. Sie denken nicht „aus Versehen an die Hausarbeit“ und kämpfen nicht mit dem Problem, „man wird nüchtern und sieht sein Gegenüber immer klarer“.

Die Autorin malt die typischen Geräusche beim Sex aus, „heftiger als jedes Pupskissen“. Trotzdem versuche man verzweifelt, die Würde zu wahren, „aber wem machen wir denn bitte was vor?“

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