Pro Familia plant neues Angebot Queere Beratung in Aussicht

Das queere Offenbach sichtbar machen: Bisher lief dies etwa über das Hissen der Regenbogenfahne.

Offenbach – Das Beratungs- und Austauschangebot für Jugendliche und junge Erwachsene in Offenbach wird breiter und bunter: Pro Familia plant eine queere Beratung für homo-, inter- oder transsexuelle Menschen. Im KJK Sandgasse wurde ein entsprechender Treff eingerichtet.

Viel zu lange gab es auf diesem Sektor ein erschreckendes Defizit im Vergleich zu anderen Groß- oder kreisfreien Städten: Im benachbarten Frankfurt gibt es seit Jahren ein breites Angebot an Beratungsmöglichkeiten und Treffs, in Darmstadt existiert mit dem Verein Vielbunt ein so reger wie kompetenter Akteur, an den sich Jugendliche oder junge Erwachsene wenden können. Über Jahre gab es in Hanau einen entsprechenden Verein, nun will die Stadt dessen Beratungsangebot aufnehmen. Offenbach hinkte bislang hinterher.

Von offizieller Seite wie von einigen Organisationen wurde in vergangenen Jahren leicht resigniert darauf verwiesen, dass die Jugendlichen ohnehin nach Frankfurt gingen und das dortige Angebot nutzten. Als bei der jüngsten Haushaltsberatung Die Linke für Offenbach eine von der Stadt getragene queere Beratung forderte, fand sich dafür keine Mehrheit – was auch damit zusammenhing, dass Die Linke zur Finanzierung die Abschaffung des freiwilligen Polizeidienstes forderte und ihren Vorschlag so für andere Fraktionen unannehmbar machte.

Immerhin, wenngleich von der Öffentlichkeit weitgehend unbeachtet, wurde im KJK Sandgasse ein Treff für queere Jugendliche eingerichtet: Samstags bietet sich Gelegenheit zum Austausch, 15 Personen nutzen diese laut Stadt regelmäßig. Möglich wurde das Angebot, wie Stadtsprecher Fabian El Cheikh sagt, durch das Engagement eines Jahrespraktikanten. Finanziert ist es vorerst bis zum Jahresende, eine Verstetigung ist aber gewünscht.

Wünschenswert und überfällig sei es, dass es in Offenbach ein entsprechendes Angebot wie in anderen Großstädten gebe, sagt Heike Pinne, Leiterin von Pro Familia. Die Denkweise, dass Offenbacher Jugendliche sich in Frankfurt beraten lassen sollen, sieht sie sehr kritisch: „In Offenbach kümmern wir uns um alles bei Jugendlichen – wenn es aber um die sexuelle Orientierung geht, da sollen sie bitteschön nach Frankfurt gehen. Was ist das denn für eine Einstellung?“

Pro Familia will deshalb zur Jahresmitte sowohl in Offenbach als auch in Dietzenbach entsprechende Beratungsstellen eröffnen. Momentan sucht man noch Dritte zur Finanzierung, berichtet Pinne. Bisher habe es keine Ressourcen gegeben, um diese Beratung anbieten zu können.

„Es geht auch darum, queeres Leben in Offenbach sichtbar zu machen“, sagt sie. „Offenbach ist sonst so vielfältig, doch queeres Leben wird nicht abgebildet.“ Damit sollen ebenso Vorurteile abgebaut wie Konflikte vermieden werden.

Die Beratung richtet sich nicht nur an Jugendliche, sondern auch an Eltern oder Pädagogen, sagt Anna-Maria März, Sozialarbeiterin bei Pro Familia. „Bisher wurden Jugendliche, die Fragen rund um ihre sexuelle Orientierung hatten, über Dritte an uns verwiesen“, erläutert sie. Doch nicht immer wüssten Klassenlehrer, Eltern oder Ansprechpartner in Vereinen, denen sich Jugendliche mit ihren Nöten anvertrauten, damit umzugehen. Deshalb sei es wichtig, auch ihnen professionelle Hilfe zu bieten.

Jugendlichen zu helfen, ihnen zu signalisieren, dass sie mit ihren Fragen zur Sexualität nicht allein stehen, ist auch heute wichtig, sagt Pinne; gerade weil es im Internet neben manch guter Seite viele zweifelhafte gebe: Fehlinformationen obskurer „Homo-Heiler“ im Netz könnten existenzielle Krisen bei den Jugendlichen auslösen, professionelle Beratung sei daher ein Muss. „Wir brauchen Multiplikatoren mit Fachwissen“, sagt März.

Von Frank Sommer