Am Bieberer Berg wurde ungewöhnlich gefeiert Rosa-Oktober-Fest in Offenbach

Olga Orange (rotes Kleid) moderiert den Abend. Ein Rosa-Oktober-Fest auf dem Bieberer Berg wäre vor 30 Jahren undenkbar gewesen. Foto: Mangold

Offenbach (man) – Bernd Reisig (52) beackert die unterschiedlichsten Felder: In jungen Jahren managte der gelernte Maschinenschlosser die Sängerin Nena, er führte als Geschäftsführer den FSV Frankfurt aus der vierten in die zweite Liga. In diesem Jahr initiierte der Mann zusammen mit „Gerdas kleiner Weltbühne“ aus Mühlheim das erste Rosa-Oktober-Fest. Gefeiert wurde in einem Zelt hinter dem Stadion am Bieberer Berg.

Bernd Reisig erzählt, wie er einmal mit Gerhard Stein beieinander saß. Den grüßen die Mühlheimer auf der Straße mit „Gude Gerda“. In seinem Theater im Bürgerhaus der Stadt verwandelt sich der Travestiekünstler von Gerhard in Gerda, der Gründerin von „Gerdas kleiner Weltbühne“. Reisig und Stein überlegten, ob und wie es möglich sei, „ein schrilles, rosa Fest außerhalb der Fastnacht zu veranstalten“. Am Ende standen gleich fünf Feste. Die begann am 11. und endeten am 15. Oktober.

Bier-Anstich mit Oberbürgermeister Horst Schneider

Reisig betont am zweiten Festtag, wie angenehm sich auch jene benommen hätten, die zum Bier-Anstich mit Oberbürgermeister Horst Schneider am Ende nur noch semi-nüchtern heimwärts wankten. Wer unvorbereitet ins Zelt kommt, merkt gleich: Hier ist was anders als sonst. Vor 30 Jahren wäre ein schwules Oktoberfest in Offenbach auf dem Bieberer Berg unvorstellbar gewesen. „Auch wenn es vereinzelt immer noch Idioten gibt“, wirft Reisig ein, „die Zeiten haben sich zum Besseren gewandelt“.

Olga Orange steht auf der Bühne

Der Veranstalter freut sich, dass beim Rosa-Oktober-Fest keineswegs nur Homosexuelle erscheinen, „das zeigt, mittlerweile sehen die Leute Schwulsein als etwas Normales an.“ Auf der Bühne bringt das Olga Orange gesanglich zum Ausdruck: „Ob schwul oder bi oder hetero, so wie du bist, so ist es recht.“ Fern der Scheinwerfer unterzeichnet Olga mit Thomas Rau. Die herzlich-hessische Frau mit dem zuweilen melancholisch anmutenden Blick beschreibt schonungslos die eigene Wirkung. Auch sie habe Groupies, die an der Türe ihrer Garderobe kratzten: „Aber von Inne, un ich lass die net raus“.

Duo Fancy singt sich durch die Pop-Geschichte

Das Duo Fancy mit Tobias und Silke, nicht nur in der Region auf Partystimmung spezialisiert, singt sich durch die Jahrzehnte der Pop-Geschichte. Statt den bayerischen Farben blau und weiß, dominiert heute rosa-weiß das Interior. Wie sich die Zeiten geändert haben, deutet das Lied an, das Schlagersänger Patrick Himmel in seinem Udo Jürgens-Potpourri einbindet. Auf 20-Jährige dürfte ein Text, der davon erzählt, dass eine Hausgemeinschaft Mitbewohner bittet zu verschwinden, „weil wir als Paar zusammen leben und noch immer ohne Trauschein sind“, unverständlich wirken. Das Thema interessiert heute fast niemanden mehr.

Drei Travestiedarsteller aus Mühlheim

Ein Wiesbadener kam von der Arbeit im Frankfurter Magistrat mit S-Bahn und Bus her. Er wollte das erste Mal in seinem Leben „Gerda und Jutta P.“ von der Weltbühne live erleben. Mit Olga Orange, der eleganten Tänzerin Naomi und dem austrainierten Rene treten heute drei Travestiedarsteller aus Mühlheim auf. Die beiden Ikonen Gerda und Jutta P. „können das erste Mal seit 43 Jahren einen Termin nicht einhalten“, erklärt Bernd Reisig, „beide sind krank“. Auch wenn am Mittwoch mehr als die doppelte Zahl an Gästen Platz gefunden hätten, die Stimmung war fröhlich, ungezwungen und angenehm entspannt. Am Samstag war die Hütte schließlich rammelvoll.

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