August-Bebel-Schule lädt zum Tag der offenen Tür Schüler lernen nah an der Praxis

Wirtschaftskundelehrer Günter Winkler führte mit Felina Richter die Interessierten zu den verschiedenen Stationen in der ABS. Foto: Mangold

Offenbach (man) – Wer ein gängiges Gymnasium mit dem Abitur verlässt, kann vielleicht über die heisenbergsche Unschärferelation referieren, kann eventuell Ciceros Rede gegen Verres übersetzen, wenn es aber heißt, im anschließenden Studium einen Job zur Finanzierung finden zu müssen, sind nicht viele in der Lage, einer qualifizierten Arbeit nach zu gehen. Bei Abiturienten der berufsbildenden August-Bebel-Schule verhält sich das anders.

Kürzlich veranstaltete die ABS ihren schon traditionellen Informationstag. An dem nahm vor drei Jahren auch Felina Richter teil. Die Schülerin aus der 13. Klasse führt heute zusammen mit dem Wirtschaftskundelehrer Günter Winkler eine Gruppe Interessierter durch Stationen im Gebäude. Damals gefiel der jungen Frau die Schule so gut, dass sie eine morgendliche Fahrzeit von zwei Stunden mit der Bahn in Kauf nahm, von Glauburg-Stockheim nach Offenbach-Lauterborn. Die Möglichkeit, ein Fach wie Medientechnik als Leistungskurs zu nehmen, wirkte attraktiv.

Als zweiten LK nahm Felina Deutsch. Luxuriöse Zustände herrschen auf der eher technisch orientierten Schule in dem Kurs. „Wir sind nur zu siebt“, sagt die junge Frau.

Schulleiter Raimund Kirschner erklärt, das Besondere des gymnasialen Zweigs der ABS sei die berufliche Orientierung Richtung Gestaltungs- und Medientechnik, „in den anderen Fächern unterscheiden wir uns nicht von herkömmlichen Gymnasien“. Kirschner unterrichtet Mathe. Er beobachte, wie Schüler abstrakte Themen im berufsbildenden Kontext viel leichter verstehen. Als Beispiel nennt Kirschner Fragen zur Statik eines Gebäudes, die sich mit Hilfe der Integralrechnung konkret beantworten ließen.

In einem der Räume geht es um 3-D-Drucker, mit denen sich im Klassenzimmer etwa ein Sparschwein oder eine Schale drucken lässt. „Das Material ist aus Maisstärke“, erklärt Dennis Keller. Der 25-Jährige absolvierte vor drei Jahren selbst das Abitur an der ABS, wo er jetzt eine AG zum Thema 3-D-Drucker leitet. Sein Ziel ist es, nach Studium und Referendariat hier ganz als Lehrer einzusteigen.

Im Keller initiierten Lehrer und Schüler eine Ausstellung mit Plastiken zum 100. Jubiläum des Bauhauses. Eine kunstästhetische Schule, die gerade Linien präferiert und Bögen ablehnt. Seit den 50er Jahren dominierte das Bauhaus weltweit die Architektur. Als einer der Väter des funktionalen Stils gilt Walter Gropius, der die Berliner Gropius-Stadt entwarf, die sich wie fast alle Viertel der Bauart binnen kurzer Zeit zu einem sozialen Brennpunkt entwickelte.

Angebot für Schüler und Lehrer

Die unterschiedlichsten Biographien treffen sich auf der ABS. Günter Winkler erzählt von einer Schülerin, die eine Ausbildung zur Trockenbauerin begann. Ein Metier, in dem es eher mal rauer zugeht.

Winkler staunte nicht schlecht, als die Frau das Zeugnis ihrer ersten Ausbildung vorlegte: „Ein Bachelor in Musik: Hauptfach Cello.“

Felina Richter erzählt von ihrer Klassenfahrt zu Beginn der E-Phase nach Barcelona, eine Stadt, die der Jungendstil von Architekten wie Antoni Gaudí prägt. Solche Fahrten dienen den Schülern dazu, einander kennen zu lernen. Entsprechend der schulischen Ausrichtung auf die Gestaltung stehen dann vor allem Museumsbesuche auf dem Plan.

Die selbstständig agierende ABS kümmert sich nicht nur um die fachlichen Belange ihrer Schüler. Wem es seelisch schlecht geht, weil die Freundin Schluss machte oder die Familie gerade zerbricht, dem steht die Türe von Doreen Vogt offen. „Das Angebot gilt nicht nur für Schüler, sondern auch für Lehrer“, betont die Diplompsychologin. Für Gespräche mit Vogt gilt fast das gleiche wie für Priester nach der Beichte, „ich habe Schweigepflicht“.

Einen Raum weiter sitzt der Lehrer Jürgen Wattig in der Sozialberatung, „man ist froh, wenn man sie nicht braucht aber erleichtert, wenn man sie bekommt“. Wattig stellt bei Bedarf Kontakte zur Schulden- oder Drogenberatung oder auch zu entsprechenden Ämtern her, wenn Obdachlosigkeit droht. Der Mann weiß, wovon er spricht, wenn er sagt, „in Offenbach ist es schwerer als anderswo, erwachsen zu werden“.