Einigung mit Chemie-Unternehmen/ „Vertretbares Risiko“ bei Altlastensanierung Stadt kauft das Clariant-Gelände

Auf dem ehemaligen Clariant-Gelände soll ein Gewerbegebiet entstehen. Foto: Axel Häsler

Offenbach (red) – Nach zweijährigen Verhandlungen haben sich die Stadt Offenbach und das Spezialchemie-Unternehmen Clariant auf einen Preis für die rund 35 Hektar große Industriebrache am Main geeinigt. „Die Stadt wird das Areal von Clariant für 6,95 Millionen Euro erwerben und anschließend selbst entwickeln“, teilten Oberbürgermeister Felix Schwenke und der Vorsitzende der Geschäftsführung von Clariant in Deutschland, Oliver Kinkel, vergangene Woche mit. Schwenke hatte für die Stadt gemeinsam mit Bürgermeister und Stadtkämmerer Peter Freier sowie Bau- und Planungsdezernent Paul-Gerhard Weiß verhandelt. Damit ist die städtebauliche Entwicklungsmaßnahme vom Tisch, die von der Stadtverordnetenversammlung im November 2017 für den Fall eines Scheiterns der Verhandlungen beschlossen worden war.

„Der Erwerb des Clariant-Geländes ist eine historische Chance für die Standortentwicklung Offenbachs. Das Areal bietet das größte zusammenhängende Flächenpotenzial zur Ansiedlung neuer Unternehmen in der ganzen Rhein-Main-Region“, betonte Oberbürgermeister Schwenke. Zugleich warnte er vor kurzfristiger Euphorie: „Jetzt liegt jahrelange Arbeit vor uns. Bevor die Offenbacher Bürger von der wirtschaftlichen Entwicklung durch das neue Gewerbegebiet profitieren können, werden mit Sicherheit zehn Jahre vergehen. Bis zum Abschluss der Entwicklung noch weitere Zeit. Aber mit dem Vertrag werden die Grundlagen für enorme Chancen gelegt.“ Die Einigung mit Clariant stelle für die Stadt eine historische Zäsur in der Wirtschaftsentwicklung Offenbachs dar: „Die riesige Brache am Mainbogen steht symbolisch wie keine andere Fläche für den jahrzehntelangen Strukturwandel Offenbachs. Mit der Entwicklung zu dem im Masterplan beabsichtigten Innovationscampus haben wir die Chance, diesen Strukturwandel zu einem Ende zu führen“, bestätigt auch Bürgermeister Freier die Einschätzung, dass eine unvergleichliche Chance geschaffen wurde, zugleich aber noch viel Arbeit zu leisten sei. Ziel der Wirtschafts- und Standortpolitik des Magistrats ist es, die einstige Industriestadt Offenbach zu einem Zentrum für Dienstleistung, Forschung und Innovation weiterzuentwickeln.

Bestandteil der Einigung mit Clariant und der Kaufpreisfindung ist der Wunsch der Stadt, Planung und Durchführung selbst projektbezogen adäquat durchzuführen und zu sichern. Diese städtische Position resultiert aus der Notwendigkeit, dass die Hinterlassenschaften der jahrzehntelangen Chemieproduktion am Standort nicht in einem Zug beseitigt werden können, sondern nur schrittweise im Zuge der künftigen Entwicklung und den jeweiligen Planungsfortschritten angepasst: „Jede Sanierungsmaßnahme muss abgestimmt werden auf die konkrete Veränderung der jeweiligen Fläche des Gesamtareals“, erläuterte Baudezernent Paul-Gerhard Weiß.

Für die äußerst komplizierte Abschätzung der Frage, welchen Preis man zahlen kann, erläuterten die Dezernenten ihr Vorgehen: „Die Risiken, die sich mit der Altlasten-Sanierung ergeben, wurden von uns mit vier Gutachten ermittelt und in den Kaufpreis eingepreist.“ Bei der Abschätzung des Risikos für die Stadt ist die Expertise, die sich insbesondere die städtische OPG GmbH bei der Entwicklung des Hafens erworben hat, wichtige Grundlage gewesen. „Das Risiko ist aus Sicht der Stadt vertretbar, weil wir mit dem Erwerb des Geländes verhindern, dass die Fläche auf weitere Jahre oder Jahrzehnte wirtschaftlich ungenutzt bleibt und wir stattdessen nun zeitnah eine Entwicklung anstoßen können, die das Ziel hat, neue zukunftsweisende Arbeitsplätze zu schaffen und die für Offenbach so enorm wichtigen Einnahmen aus der Gewerbesteuer zu erhöhen“, so OB Schwenke. „Dies geht durch den einvernehmlichen Erwerb um viele Jahre schneller als im Rahmen der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme. Zugleich hat Clariant nachvollziehbarer Weise einen Preis verlangt, der diese Chancen für die Stadt widerspiegelt“, ergänzt Freier. „Die Entwicklung kostet aber Zeit – und mit der Zeit können sich Rahmenbedingungen ändern. Jetzt haben wir es vollständig in städtischer Hand, flexibel darauf zu reagieren – so wie dies auch im Hafen gelungen ist. Das ist ein großer Erfolg und eine große Chance“, erläuterte Stadtrat Weiß den Kern der Chance.

Die Erschließung des neuen Gewerbegebiets soll in den nächsten Jahren nach den Ideen und Festlegungen des Masterplans Offenbach erfolgen. Vorgesehen ist unter anderem die Entwicklung eines Innovationscampus, der ein Ort für innovative Firmen, zukunftsorientierte Nutzer und Start-Ups werden soll. „Bereits jetzt schon arbeitet die Wirtschaftsförderung mit der IHK, der Hessen Trade and Invest und der HfG am Aufbau eines Design-Parks. Das Clariant-Gelände könnte dafür der ideale Standort werden“, so Schwenke. „In unterschiedlichen Segmenten und mit einer durchlässigen Architektur, einem Park und einem Zugang zum Main soll auf der Fläche ein attraktives Gewerbegebiet entstehen, das wegweisend und impulsgebend für die Stadt und Region ist“, so Stadtrat Weiß. Geplant ist unter anderem eine Belebung einiger inzwischen denkmalgeschützter Gebäude, die dem Standort Identität verleihen sollen und die Verlängerung des historischen Anlagenrings durch das Werk zu einer grünen Verbindung vom Alten Friedhof bis zum Main. Weiterhin vorgesehen sind die Renaturierung des Kuhmühlgrabens und eine bessere Anbindung der Mühlheimer Straße an die B448.

Die nun anstehende Entwicklung erfolgt im Zuge des Städtebauförderungsprogramms „Stadtumbau“, von der sich die Stadt finanzielle Zuschüsse aus Bundes- und Landesmitteln erhofft, um die großen anstehenden Aufgaben zu bewältigen. Zu diesen Aufgaben zählen die planerischen Vertiefungen und Detailabstimmung der Altlastensanierung mit der Bodenschutzbehörde, die Schaffung von Baurecht, Maßnahmen zur Grundwassersicherung (Bau von Spundwänden und Pump-Reinigungsanlagen), der Bau der Erschließungsanlagen, die Parzellierung in unterschiedliche Größen und Zuschnitte zwecks bestmöglicher Vermarktung der Flächen unter Berücksichtigung der Anforderungen künftiger Unternehmen am Standort sowie der anschließende Verkauf oder die Erbpachtvergabe von Grundstücken.