Cankat Guenel komponiert Filmmusik im Westend Weltmusik aus dem Heimstudio

Offenbach – Der Offenbacher Musiker Cankat Guenel hat Musik für Netflix-Serien gemacht und war für Hollywood-Preise nominiert. Nach zwei Jahren in Los Angeles komponiert und musiziert er in seinem Offenbacher Studio im Westend.

Cankat Guenels Musikstudio ist so gemütlich eingerichtet wie der Rest der hellen, geräumigen Altbauwohnung im Offenbacher Westend. Da lebt er mit Ehefrau Sinem und dem dreijährigen Sohn Eli seit ihrer Rückkehr vom Ausflug auf die andere Seite des Atlantiks.

Nach Los Angeles gezogen sind sie vor zwei Jahren wegen Sinem Koc-Günel. „Ich habe ein Stipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft bekommen“, erzählt die Ärztin beim Kaffee am Esstisch im Wohnzimmer. Auch für Cankat Guenel war es ein Karriereschritt, an die zwei Jahre erinnert er sich gern. „Die kreative Energie dort ist unvergleichlich“, schwärmt er, „aus fast jeder Begegnung hat sich künstlerisch Neues entwickelt“.

Guenels Alleinstellungsmerkmal auf dem harten Pflaster der kalifornischen Kulturindustrie war sein Instrument, das Saz oder Baglama. Zwar gebe es auch in LA Gitarristen, die das Saiteninstrument im Repertoire hätten, erzählt er, eine klassische Ausbildung habe jedoch niemand. Die hat Cankat Guenel erhalten – und zwar von seinem Vater. Selbst Musiker, hat er sein Wissen und seine Kunst aus der Türkei nach Deutschland mitgebracht. Schon dem Sechsjährigen habe er erste traditionelle Saz-Stücke beigebracht, erinnert sich Guenel. Allerdings ist ihm schnell klar, dass das nicht die Musik ist, die er selbst machen will. Ihn zieht es zur Filmmusik. Allerdings weiß er zunächst nicht, wie er mit seinem Saz dort Fuß fassen soll.

„Gladiator“ aus dem Jahr 2000 hat den 37-Jährigen davon überzeugt, dass er für Filme komponieren kann. Die musikalische Gestaltung stammt von Hans Zimmer, Guenels Vorbild. Nicht nur der Einsatz anderer Instrumente als Geige oder Klavier begeistert ihn; was Guenel am Weltstar fasziniert, geht über den Erfolg hinaus. „Wie Zimmer schon immer die Regeln der Klassik gebrochen hat, das hat mir imponiert.“ Dieses Vorgehen habe er übernommen.

Konkret betrifft das den Umgang mit seinem Instrument, sagt Guenel: „Mein Ziel ist es, nicht Musik für einen kleinen kulturellen Kreis von Menschen zu machen, sondern Musik für alle.“

Für Profimusiker ist aller Anfang schwer, zumal im Film. Konzerte und Tourneen sind keine Option. Das hat Guenel nicht abgeschreckt. Um Filmmusik machen zu können, hat er mit einem Freund selbst einen Film geschrieben und gedreht.

Der erste große Schritt ist dem Zufall geschuldet. Ein Komponist in Los Angeles schreibt ihm über eine Internetplattform, auf der Guenel seine Musik präsentiert: Ob er nicht eine seiner Kompositionen für eine türkische TV-Serie einspielen wolle? Guenel will – und bekommt gleich den nächsten Auftrag, Musik für eine Fernsehserie. Sein Traum ist ein Stück näher gerückt. Mittlerweile ist er bei einem großen Verlag als „media composer“ – also Komponist für unterschiedliche Formate – unter Vertrag, der seine Musik an Produktionsfirmen weitervermittelt. Zuletzt wurde der Trailer für eine US-Dokuserie von Guenel untermalt.

Für die Zukunft wünscht sich der Offenbacher einen ähnlich intensiven Austausch mit anderen Musikern wie in Los Angeles. Das kreative Potenzial sieht er in der Region durchaus gegeben. Nur an der Vernetzung hapere es, findet Guenel und sagt: „Ich wünsche mir ein kleines LA in Offenbach!“

Von Philipp Bräuner