Abschied von der Herzens-Kita

Da wären sie am liebsten selbst noch einmal Kind: Klaudia Breimhorst (3. von rechts) verabschiedete sich mit einem Lächeln von einem Teil ihres Teams. Keziban Uzundal, Melika Topuz, Bozena Michalczyk, Carmen Gadanac, Petra Fuchs und Doris Schmidt griffen fürs

Urberach – Die Kita Lessingstraße, die nach dem Umzug an den Ortsrand 2016 „Villa Kunterbunt“ heißt, war bei vielen Dingen Vorreiter. Die Zügel in der Hand hatte Leiterin Klaudia Breimhorst. Nach mehr als 42 Jahren in städtischen Diensten beginnt für sie jetzt eine Lebensphase, der Ruhestand.

Ihr Berufsleben begann 1979 mit einem Praktikum im Ober-Röder Kindergarten Thomas-Mann-Straße. Dessen Chefin war Irmi Grimm, die 2021 nach 46 Jahren in den Ruhestand verabschiedet wurde. Lange blieb Klaudia Breimhorst nicht im Nachbarstadtteil, schon 1980 wechselte sie nach Urberach in die Lessingstraße. 1992 wurde sie Leiterin der Einrichtung mit vier Gruppen. In der „Villa Kunterbunt“ werden 114 Kinder in sechs Gruppen, darunter zwei Krabbelgruppen, betreut.

Die Arbeit mit den Eltern ging schon früh über das normale Maß hinaus. Der Förderverein unter seinem rührigen Vorsitzenden Jürgen Menckhoff organisierte in den Neunzigerjahren ein vor Ort gekochtes Mittagessen. Nur dank dieses Kraftaktes konnte die Kita wieder länger als 13 Uhr öffnen.

2006 wurde in der Lessingstraße die erste städtische U3-Gruppe eingerichtet. Eine Schulkindbetreuung gab es schon so lange vorher, dass nicht einmal mehr Klaudia Breimhorst weiß, seit wann. Fest steht ihrer Ansicht nach aber eines: „Wir waren eigentlich das erste Familienzentrum in Rödermark. Auch wenn das damals noch nicht so hieß.“ „Die Lessingstraße war meine Herzens-Kita“, lobt die künftige Ruheständlerin. Während andere wegen des hohen Ausländeranteils im Urberacher Seewald die Nase rümpften, spricht Klaudia Breimhorst nach all den Jahren genau deswegen von einer Bereicherung. Trotz mitunter riesiger Sprachbarrieren und großen kulturellen Unterschieden seien es gerade die türkischen Familien gewesen, die den tollen Zusammenhalt garantiert haben. Das war zu Zeiten, in denen das Wort Integration noch nicht in aller Munde war.

Beispiele dieser gelebten Vielfalt sind zwei türkische Köchinnen, die 2002 in der Kita Lessingstraße angefangen haben und 2016 mit in die „Villa Kunterbunt“ gingen. Keziban Uzundal und Melika Topuz kochen jeden Tag frisch, ganz ohne Schweinefleisch. Mit Fantasienamen wie „ABC-Suppe“ oder „Drachensoße“ machen die Frauen manchen Kindern sogar Appetit auf Sachen, die sie daheim niemals anrühren würden. Klaudia Breimhorst kennt Melika Topuz übrigens nicht nur als Köchin. Schon 1994 schickte sie ihr erstes Kind in den städtischen Kindergarten. Inzwischen werden ihre Enkel in der „Villa Kunterbunt“ betreut. Die Familie Topuz ist kein Einzelfall. Viele ehemalige Lessingstraßen-Kinder bringen ihre Kinder jetzt hierher. „Das ist wie Nach-Hause-Kommen!“ So schwärmte vor Kurzem ein Vater Klaudia Breimhorst gegenüber. Schöner kann man eine Kita und seine Leiterin eigentlich nicht loben.

Grundsätzlich ist das Verhältnis zu den Eltern „eher schwieriger geworden“, hat Klaudia Breimhorst festgestellt. Sie sieht Erzieherinnen oft mit hohen, mitunter gar zu hohen Erwartungen konfrontiert: Kinder sollen am Ende ihrer Kita-Zeit nicht nur fit für die Grundschule sein, sondern am besten fehlerfrei lesen, rechnen und schreiben können.

Natürlich hat auch Corona Spuren hinterlassen. Während der Pandemie ist vieles auseinander gedriftet, bedauert Klaudia Breimhorst und freut sich, dass wenigstens kurz vor ihrem Abschied ein Fest mit fast 300 Gästen gefeiert werden durfte.

Von Michael Löw