Flucht und neue Heimat aus ihrer Sicht Betroffener Flüchtlinge in Rödermark

In bewegten und bewegenden Worten erzählten Yonas Berhane und Heven aus Eritrea, die zurzeit in Urberach leben, von ihrer Flucht und den Gründen dafür. Foto: chz

Rödermark (chz) – Beim Themenabend zu Flucht und neuer Heimat, zu dem der Deutsch-Türkische Freundschaftsverein (DTF) gemeinsam mit dem Netzwerk für Flüchtlinge eingeladen hatte, glich der Graf-Reinhard-Saal einem Traum: ein buntes Miteinander von interessierten Deutschenn und derzeit hier lebenden Flüchtlingen, viele Umarmungen, Begrüßungen, viele kleine Gespräche am Rande. In Frieden miteinander leben – es war sehr friedfertig an diesem Abend, offen sprachen einige wenige Flüchtlinge über ihre Vertreibung aus ihrem Paradies – was nie vergessen werden sollte– hierher ins ferne Rödermark, offen und bewegt wurde ihnen hier zugehört. Aus Köln war die Gruppe Guarta angereist, die den Abend musikalisch umrahmte.

Hatice Cavus vom DTF bat Menschen ans Mikrofon, die aus ihrem eigenen Leben oder aus ihrer Erfahrung heraus Fluchtgründe und die dazu führenden Zustände in den jeweiligen Heimatländern schilderten. In bewegenden Worten beschrieb Nahla Osman die gegenwärtigen Zustände in Syrien, der Heimat ihrer Eltern, und die Gründe, weswegen die Menschen das Land verlassen: „Seit fünf Jahren ist das Leben dort ein einziger Ausnahmezustand.“ Mittlerweile sind zwölf Millionen von ursprünglich 22 Millionen Syrern auf der Flucht. „Alle haben protestiert, aber sie haben nicht mit dem brutalen Vorgehen des Regimes gerechnet, das mit seinen Mitteln bis zu Chemiewaffen und Bunkerzerstörern gehen.“ Das zweite Problem sei die wegschauende Weltbevölkerung: „Sie können oder wollen nichts machen.“

Für Günter Schröder sind Eritrea, Äthiopien und der Sudan seit mehr als 50 Jahren ebenso vertraut wie die deutsche Heimat – auch wenn er mit den Regierungen keine guten Erfahrungen gemacht hat und seit Jahren kein Visum mehr bekommt. Er schilderte die Hintergründe der eritreischen Befreiungsbewegung und seine jetzige Arbeit bei der Zusammenführung eritreischer und auch äthiopische Flüchtlingsfamilien. Das Bildungswesen im Land ist militarisiert, alles unterliegt militärischer Ordnung. „Es ist nicht erlaubt, sein Leben zu planen. Ständig lebt die Angst mit, einberufen zu werden. Die Menschen haben längst die Kontrolle über ihre Lebensumstände verloren.“

Ergreifende Berichte

Ganz besondere Tiefe bekam der Abend jedoch erst mit den von Brigitte Speidel-Frey, der Vorsitzenden des Freundeskreises Flüchtlinge im Netzwerk Rödermark NFR, zum Erzählen bewegten Flüchtlingen, die mitten in Rödermark leben. In bewegten und bewegenden Worten erzählten Yonas Berhane (24) und Heven (23) aus Eritrea, die zurzeit in Urberach leben, von ihrer Flucht, den Fluchtumständen und den Gründen dafür. „Ein Tag kein Brot und kein Wasser geht, aber auf der Flucht sieben Tage nichts essen und trinken – dann bist du tot. Aber es gibt keine Wahl: entweder ich sterbe oder ich schaffe das.“

Auch der gebürtige Iraner Assad, seit zehn Monaten in Deutschland, schilderte seine Flucht: „Ich musste aus politischen Gründen das Land verlassen. Hier kann ich arbeiten und habe ein gutes Leben.“ Hier fühlt er sich gut aufgenommen, auch beim Sport etwa, wo er inzwischen aktiv ist.

Mit einer flammenden Rede in gutem Deutsch bewegte zuletzt Heven aus Eritrea die Zuhörer, als sie der Wertschätzung der Frauen in Deutschland die Situation ihrer Geschlechtsgenossinnen in Eritrea gegenüber stellte: „Ich habe zu Hause noch eine kleine Schwester mit 16. Die muss jetzt wie alle Menschen dort zum Militär gehen. Meine Eltern können ihr nicht helfen – die haben kein Geld. Also muss sie heiraten oder zum Militär gehen. Man sagt ‚Mach das‘ und sie kann nicht sagen ‚Ich mache das nicht‘. Ich dagegen bin jetzt seit zwei Jahren hier und habe den Hauptschulabschluss gemacht. Wenn ich jetzt ins Büro möchte, so kann ich das – sie sagen nichts dagegen; sie fragen mich sogar, was ich machen möchte.“