Erster und sicher nicht letzter Gottesdienst der evangelischen Gemeinde Wenn Kirche aus ihren Mauern herauskommt

Die Premiere von „Jazz meets Kirche“ sorgte für einen vollen Jazzkeller. Bild: ziesecke

Ober-Roden – Kirche unter die Menschen bringen – einen Versuch war es wert, dies einmal außerhalb der kirchlichen Mauern zu versuchen, und das im Ober-Röder Jazzkeller. Mit Erfolg: Statt der von der Jazzclub-Vorsitzenden Sylvia Altenberg erwarteten 30 Gäste kamen über 70, der Jazzkeller war restlos besetzt. Das freute vor allem Andres Bürgam, Kirchenvorsteher bei der evangelischen Gemeinde, Mitglied im Jazzclub Rödermark-Rodgau und Initiator dieses Gottesdienstes: „Ich wollte einfach mal etwas gemeinsam machen, und das möglichst hier im Keller. Die Musik verbindet uns doch ohnehin.“

Die Musik machten an diesem Abend Roland Ulatowski am Bass, Bernhard Lehner am Piano, Thomas Kullmann am Schlagzeug und der Saxophonist Christian Massoth. Sie hatten mit den Verantwortlichen die Lieder zum Gottesdienst ausgesucht und vorbereitet. Natürlich weltbekannte Gospelsongs. Sie brachten sie, mit leichten Einschränkungen ihrer sonst variableren Gestaltung, in eine mitsingbare Form und umrahmten den gesamten Gottesdienst wunderbar mit Liedern wie „Nobody Knows The Trouble I’ve Seen“ bis zu „Down By The Riverside“, dazu der alte Hit „By The Rivers Of Babylon“. Die Zuhörer waren zunächst noch zurückhaltend, lauschten lieber den Klängen als selbst zu singen, aber spätestens beim letzten „Amazing Grace“ trauten sie sich. Und sie klatschten begeistert nach jedem Lied, ganz entgegen den Gewohnheiten in der Kirche. Pfarrer Carsten Fleckenstein, der sich gerne auf diesen ungewöhnlichen Gottesdienst eingelassen hatte, ging auch auf Spirituals und Gospels ein. Gospel, das heißt eigentlich „good spell“, Frohe Botschaft, Evangelium, das im Gospel weitgehend auf dem Alten Testament basiert. Die Sklaven vor allem in Amerika sangen sie bei der Feldarbeit. „Nun gibt es hier keine Sklaven auf Feldern mehr, aber auch hier müssten wir singen, überall, wo Menschen weinen, in den Krisengebieten, in den Sozialeinrichtungen, in den Asylheimen.“ Gospels sprechen von einer besseren Zukunft und geben Hoffnung und Mut.

Fleckenstein fasste in Worte, was so mancher im Raum wohl dachte: „Singen und Musizieren ist wohl die schönste Form, Gott Ehre zu erweisen. Martin Luther, begnadeter Sänger und Musikliebhaber, hat einmal gesagt: ‚Ein Lied ist ein doppeltes Gebet’, und ein Lied, bei dem man so intensiv mitgeht wie bei einem Gospel, ist dann wohl schon ein dreifaches Gebet!“

Kirchenvorsteherin Carmen Löhr: „Ich war seit zehn Jahren nicht mehr hier im Jazzkeller. Das war ein Fehler, habe ich gemerkt. Vielleicht war ja der ein oder andere von Ihnen auch schon seit zehn Jahren nicht mehr bei uns in der Kirche, da ist zwar die Musik getragener, aber ansonsten lohnt sich das auch. Vielleicht probieren Sie es einmal aus!“

Von Christine Ziesecke