Beim 9. Nell-Breuning-Symposium geht es um Biotechnologie und Künstliche Intelligenz Der neue Mensch und die Frage nach dem guten Leben

Furchterregende Möglichkeiten tun sich der Menschheit auf: Dank Genscherre und Genome editing werden irn nicht zu ferner Zukunft Menschen mit besonderen Fähigkeiten geboren werden. Foto: p

Rödermark (red) – Seit mehr als zwanzig Jahren finden in Rödermark im Abstand von zwei bis drei Jahren wissenschaftliche Symposien statt, die von der Oswald-von-Nell-Breuning-Schule im Verein und mit Unterstützung der Stadt Rödermark erfolgreich veranstaltet werden. Auch das 9. Nell-Breuning-Symposium vom 22. bis 23. November widmet sich wieder einem brisanten und hochrelevanten Thema: „Der ,Neue Mensch‘ – Biotechnologie, Künstliche Intelligenz und die Frage nach dem guten Leben“. Die Nell-Breuning-Schule freut sich, zusammen mit der Stadt Rödermark ein weiteres bedeutsames Symposium mit acht hochkarätigen Wissenschaftlern in der Kulturhalle ausrichten zu können und lädt alle interessierten Bürger dazu ein. Eröffnet wird die Veranstaltung am Freitag (22.) um 14 Uhr; um 15 Uhr beginnt die Vortragsreihe des ersten Tages, die gegen 19.30 Uhr beendet sein wird. Am Samstag geht es um 13.45 Uhr weiter. Detaillierte Informationen findet man unter www.nellbreuningsymposium.de.

In den vergangenen drei Jahrzehnten gab es tiefgreifende Entwicklungen in den Bio-, Lebens- und Neurowissenschaften, der Informationstechnologie, der Erforschung der Künstlichen Intelligenz sowie der molekularen Nanotechnologie. Die Datenverarbeitungskapazität (bzw. Komplexität der Schaltungen) von Computern hat sich exponentiell in einem Maße erweitert, dass diese bald ähnliche Rechenkapazitäten aufweisen werden wie das menschliche Gehirn. Mit der Entwicklung von Künstlichen Intelligenzen, die auf neuronalen und rekursiven Netzwerken aufbauen, sind Computer in der Lage, eigenständig zu lernen und sich an ihre Umwelt anzupassen. Selbstfahrende Autos oder humanoide Roboter (in der Pflege oder industriellen Produktion) sind nicht mehr nur Science Fiction. Gleiches gilt für die Verschmelzung von Computer und Mensch durch vernetzte Sensoren oder Implantate am oder im Körper (Interfaces), die sich direkt an Nervenzellen andocken können.

Computer sind inzwischen nicht nur die besseren Schach- oder Go-Spieler, sie können auch ein Malignom präziser identifizieren als ein Arzt.

Amerikanischen Forschern ist es längst gelungen, das menschliche Genom (oder Erbgut) zu entschlüsseln; kürzlich konnte die Biotechnik (mit Hilfe der Nanotechnologie) auch ein ganzes Genom synthetisieren. Zwar findet dies erst auf der bakteriellen Ebene statt, der Anfang ist gleichwohl gemacht. Insbesondere seit der Entdeckung der sogenannten Genschere CRISPR/Cas9 erlauben die neuen molekularbiologischen Verfahren des „Genome Editings“ gezielte Modifikationen des menschlichen Erbguts. Durch Eingriffe in die Keimbahn oder den Embryo können Krankheiten verhindert, aber auch bestimmte Fähigkeiten oder Eigenschaften des Menschen initiiert werden.

Zur Optimierung und Verbesserung des Menschen steht darüber hinaus ein großes Spektrum anderer Technologien zur Verfügung. Die Pharmazie bietet eine Vielzahl von Substanzen, die im Hochleistungssport Verwendung finden und wesentlich subtiler und kurzfristiger wirken als etwa Steroide.

Durch die Kombination von KI und menschlicher Biologie oder die Eingriffe in die Keimbahn ergeben sich heute Möglichkeiten zu einer essentiellen und qualitativen Veränderung des Menschen. Denn es lässt sich absehen, dass Methoden wie CRISPR/Cas9 oder die Implantation von Chips eben nicht alleine zu Heilzwecken (kurativ oder kompensatorisch) eingesetzt werden, sondern zur Optimierung und dem ‚human enhancement‘ von eigentlich gesunden Menschen. Am Ende könnte tatsächlich der ‚neue Mensch‘ stehen. Das hieße dann auch, dass wir unser bisheriges Menschenbild revidieren müssten. Begriffe, Kategorien und Kriterien wie „Geburtlichkeit“ und Veranlagung, Lebensleistung, Chancengleichheit, Altern und Tod, Zufall und Schicksal verlören ihre bisherige Bedeutung.

Wie bei allen technologischen Umwälzungen in der Geschichte gibt es Zukunftsoptimisten und Pessimisten, Liberale (oder Libertäre), Konservative und Pragmatiker.

Die liberalen Fortschrittsoptimisten (Trans-, Posthumanisten) beharren grundsätzlich auf der Freiheit und Autonomie des Menschen. Erst mit den neuen Technologien könne er zu seinem wahren Selbst finden, die Zwänge der Biologie abstreifen, die Evolution nun selbst steuern und den Menschen als Spezies optimieren und perfektionieren. Schließlich werde es ihm sogar ermöglicht, die schlimmsten aller Übel, Altern und Tod, zu überwinden. Es könne nicht verwerflich sein, seine Kinder mit diesen oder jenen Eigenschaften auszustatten, um ihren Handlungsspielraum zu erweitern.

Konservative dagegen sehen in den neuen Methoden des ‚Human Enhancement‘ vielmehr Momente der Fremdbestimmung und Instrumentalisierung, die einem bloßen Nützlichkeitsdenken geschuldet sind. Ein gelingendes und gutes Leben könne es nur in einer Welt geben, in der man auch mit dem Zufall rechnen und sich am Unhintergehbaren abarbeiten müsse. Sie beharren einerseits auf der (etwas unterbestimmten) „menschlichen Natur“ und dem Vorgegebenen und verweisen andererseits auf die sozialen Verwerfungen (Ungerechtigkeit, Diskriminierung), die aus einem allgemeinen Optimierungsimperativ entstehen könnten.

Pragmatiker gehen davon aus, dass das, was technisch machbar ist, zumeist auch gemacht wird. Sie versuchen daher einen sozialen, ethischen, rechtlichen und politischen Modus des Umgangs mit den Innovationen der Biotechnologie und künstlichen Intelligenz zu finden. Sie entwickeln Kriterien für ein gutes Leben, das sich dem Gemeinwohl, der Sozialstaatlichkeit und Sozialverträglichkeit verpflichtet fühlt.

Das Symposium wird von acht renommierten Referenten aus den Bereichen der Philosophie, der Theologie, der Physik (bzw. Informationstechnologie), den Rechtswissenschaften, den Sportwissenschaften und der Sportmedizin sowie Pharmakologie gestaltet.