Stadt siedelt Eidechsen und Vögel um Neuer (Überlebens)-Raum

Zwischen Germania-Sportplatz und Parkhotel hat die Stadt eine Streuobstwiese angelegt, auf der sich vor allem Zauneidechsen ansiedeln sollen. Die Wiesen und Büsche hinterm „Paramount Park“ werden in ein Gewerbegebiet umgewandelt. Bild: löw

Ober-Roden – Eine fast 4 000 Quadratmeter große, von Menschenhand angelegte Streuobstwiese soll zur neuen Heimat von Eidechsen und Vögeln werden, deren Lebensraum Platz für dringend nötige Gewerbeflächen machen muss. Die Stadt will auf dem Flächen-Dreieck zwischen Kapellenstraße, Rödermarkring und Frankfurter Straße Expansionsmöglichkeiten für Rödermärker Unternehmen beziehungsweise Platz für neue Firmen schaffen.

Eine Vielzahl ökologischer Ausgleichsmaßnahmen soll die Umweltverträglichkeit des Gewerbegebietes an der Kapellenstraße garantieren.

Vor allem die Zauneidechse blickt einem Umzug entgegen. Für sie wird, um im Bild zu bleiben, der Möbelwagen bestellt. Auch mehrere Vogelarten sollen an anderer Stelle im Stadtgebiet brüten und heimisch werden. Das bis zu 25 Zentimeter lange Reptil kommt theoretisch überall im künftigen Gewerbegebiet vor. Die größte Eidechsendichte wurde nach Auskunft von Kristina Luft, der Leiterin der städtischen Umweltabteilung, im südwestlichen Teil des Geländes festgestellt. Wie groß die Population ist, kann sie nicht sagen: „Nach dem schwierigen Eidechsenjahr 2022, in dem sich die Tiere vergleichsweise wenig vermehrt haben, kann das Aufkommen derzeit nicht seriös geschätzt werden.“

Schon lange, bevor die Bautrupps anrollen, um Anbindungsstraßen zu asphaltieren und Gebäude hochzuziehen, hatte die Stadt umweltschutzrechtliche Fragen zu klären. Gutachter haben fest-gestellt, dass auf dem Areal diverse Tiere leben, deren „Erhaltungszustand in Hessen als ungünstig bis schlecht eingestuft wird“.

Das bedeutet: Für eben diese Tiere sollen Ersatz-Lebensräume gesichert werden, um die Arten vor Ort zu erhalten. Betroffen sind die besagten Zauneidechsen als markante Vertreter der Reptilien-Familie. Außerdem muss auf Mücken- und Zwergfledermausbestände sowie die Feldlerche, den Bluthänfling, die Goldammer, den Stieglitz und das Schwarzkehlchen Rücksicht genommen werden.

Für die Vögel lässt die Stadt bis zum Frühjahr 2024 einen umfangreichen Maßnahmenkatalog abarbeiten. Die kommunale Fachabteilung Umwelt ordiniert die Aktivitäten in Abstimmung mit den übergeordneten Umweltschutz-Behörden sowie Grundstückseigentümern und Landwirten. So werden beispielsweise auf einer Ackerfläche in der Nähe des Appenlochgrabens südlich von Waldacker speziell für die Feldlerche geeignete Blühstreifen angelegt. Dort sollen die Bodenbrüter möglichst ungestört ihren Nachwuchs aufziehen.

Auf einer ehemals landwirtschaftlich genutzten Fläche nördlich der Rollwaldgärten wird auf Extensiv-Grünlandbewirtschaftung gesetzt, um insbesondere Schwarzkehlchen einen ökologisch hochwertigen Anflugs- und Rückzugsort zu sichern.

Im Mittelpunkt der sogenannten CEF-Maßnahmen, die vor der Erschließung eines Baugebietes erledigt sein müssen, steht freilich die Zauneidechse: eine „streng geschützte Art“, für die eine Umsiedlung von der Kapellenstraße in ein Ersatzhabitat am Jügesheimer Weg vorgesehen ist. Im Klartext: Dort, in der Feldgemarkung Richtung Waldacker, soll auf einer mit Stein-, Sand- und Totholzzonen gestalteten Streuobstwiese ein neues Zuhause für die flinken Tiere mit der oftmals prägnant schillernden schwarz-grünen Färbung etabliert werden.

In den kommenden Wochen kann er anrollen, der eingangs erwähnte Umzugswagen. Wie die Sachverständigen beim Transport vorgehen? Das beschreibt Kristina Lust wie folgt: „Sowohl das Ersatzhabitat als auch das künftige Baugebiet wurden mit einem überkletterungssicheren Reptilienzaun umfasst. Sobald die Zauneidechsen aus der Winterstarre erwachen, werden die Tiere in Etappen über eine komplette Vegetationsperiode hinweg, also von Frühjahr bis Herbst, eingefangen und anschließend auf ihrem neuen Tummelplatz wieder in die Freiheit entlassen.“

Wobei Freiheit relativ ist: Die Eidechsen bleiben ungefähr ein Jahr lang dort eingesperrt, bis sie sich eingewöhnt haben. Dann wird der schwarze Plastikzaun abgebaut.

Von Michael Löw