„Wenn alle Stricke reißen, auch zubeißen!“ Selbstverteidigung beim KSV Urberach

Mit Judotrainer Wilhelm Lannert übte Kursteilnehmerin Uta Weber (74) die vom Kursleiter Florian Bagus (im Hintergrund) empfohlenen Handgriffe und auch Tritte, mit denen man sich einen Angreifer oft erst einmal auf Abstand halten kann. Foto: Ziesecke

Rödermark (chz) – Angst vor Gewalttätigkeit haben viele Bürger – das ist nicht unbedingt ein Zeichen, dass diese zunimmt, sondern wird eher durch die zunehmenden Berichte in den verschiedenen Medien angeheizt.

So wunderte es niemanden, dass sich zum ersten Selbstverteidigungskurs, zu dem die Judoabteilung des KSV Urberach unter der Leitung von Wilhelm Lannert, Jan Lannert und Tim Rentzsch alle Interessierten ins KSV-Heim eingeladen hatte, rund 35 Teilnehmer zwischen 15 und 75 Jahren anmeldeten. Sechs Stunden lang wurden sie mit den Grundlagen effektiver Selbstverteidigung vertraut gemacht, vor allem mit praktischen Übungen für jeden. Wie wehre ich mich gegen körperliche Gewalt? Wie gehe ich damit um, wenn ich mit einem Messer bedroht werde? Kursleiter war Florian Bagus, ein Berufsschullehrer aus Flieden, den die KSV-Sportler über den Judosport als Fachmann auf dem Gebiet der Selbstverteidigung kennen gelernt hatten. Übungen wurden erst von den Judoka vorgeführt und dann von allen Teilnehmern nachgemacht – manchmal erst vorsichtig und zögerlich, dann zunehmend aktiv.

Nicht den Helden spielen wollen

Zur körperlichen Gegenwehr gegen Angreifer gehört allemal von Anfang an eine möglichst nüchterne Betrachtung der Situation. Drei Tipps gibt Florian Bagus all jenen, die wissen möchten, was sie selbst im Ernstfall tun können: zunächst mit offenen Augen durch die Welt gehen – ohne Kopfhörer über den Ohren und Handy vor den Augen. Weiterhin bei Bedrohung als erstes den Kopf einschalten: ja nicht den Helden spielen, sondern Gefordertes wie etwa Geldbörse oder Handy aushändigen. Und zu guter Letzt mit allen Mitteln wehren, aber immer mit dem Ziel des Rückzuges. Und Florian Bagus gibt zu bedenken: „Wenn man einmal einen Kurs macht, ist das keine Versicherung auf Dauer. Effektive Selbstverteidigung muss von Jung bis Alt ebenso wie für Männer und Frauen anwendbar sein, sie darf nicht zu speziell sein und sie muss immer im Blickfeld haben: wichtig ist es, sich zurückzuziehen.“

Bitte nach weiterem Kurs

Eine der ältesten Teilnehmerinnen, die 74-jährige Uta Weber, erinnert sich: „Ausgangspunkt war für uns ein früheres Erlebnis in der S-Bahn, wo wir von jungen Mitfahrern bedrängt wurden und danach beschlossen haben, uns dagegen fit zu machen. Der Kurs heute hat mir viel gebracht, ich habe mir einiges gemerkt. Der Trainer hat mir sehr imponiert; er hat uns humorvoll und trotzdem ernsthaft klar gemacht: forsch auftreten, einige der rund 50 gezeigten Griffe merken und wenn nötig anwenden, und im Ernstfall wegrennen! Ich glaube, dass es für die Teilnehmer durchwegs wertvoll war.“

Drum hat sie auch Tim Rentzsch vom KSV gebeten, einen weiteren Kurs anzubieten, um das Erlernte zu verfestigen, „denn alles konnte ich mir nicht merken.“ Was sie sich gemerkt hat: es tut einem Mann offenbar sehr weh, wenn schon nicht mit dem Knie, dann doch mit der Hand kräftig zwischen den Beinen angegriffen zu werden – das bringt ihn auf Abstand. Und sie ergänzt: „Und, wenn alle Stricke reißen, im Notfall auch zubeißen!“