Rödermärker Erinnerungskultur Straße in Ober-Roden soll umbenannt werden: Magistrat schlägt Ehrung für Wilhelm Weber vor

Wilhelm Weber war ein von den Nazis verfolgten Gewerkschafter und SPD-Reichstagsabgeordneter. Foto: p.

Ober-Roden (red) – Der Magistrat schlägt der Stadtverordnetenversammlung vor, den Ober-Röder Gewerkschafter und SPD-Reichstagsabgeordneten Wilhelm Weber (1876-1959) zu ehren. Dies soll in geeigneter Weise erfolgen, beispielsweise durch Benennung einer Straße im Stadtteil Ober-Roden. Weber hatte sich unter Einsatz seines Lebens dem Nazi-Regime entgegengestellt. „Ich würde mich freuen, wenn auch die Stadtverordneten diese Ehrung mit voller Überzeugung für richtig halten und es zu einem einstimmigen Votum kommt“, sagte Bürgermeister Jörg Rotter während der Magistratspressekonferenz am Donnerstag 12. März.

Den Anstoß für die Initiative des Bürgermeisters gab die Ausstellung „Gewerkschafter im KZ Osthofen“, die am Holocaust-Gedenktag (27. Januar) im Ober-Rodener Bücherturm eröffnet wurde. Diese Wanderausstellung der Gedenkstätte KS Osthofen beruht auf einem Sammelband mit 58 Biografien verfolgter Gewerkschaftsfunktionäre und betrieblicher Interessenvertreter, die 1933/34 in Osthofen inhaftiert waren. Exemplarisch werden einige der drangsalierten Gewerkschafter auf Bannern porträtiert. Acht dieser Portraits waren in Rödermark zu sehen, darunter das von Wilhelm Weber.

Wilhelm Weber wurde am 4. Februar 1876 als Sohn des Fabrikarbeiters Wilhelm Weber und dessen Frau Barbara, geborene Deller, in Ober-Roden geboren. Verheiratet war er mit Eva, geborene Eyßen. Weber besuchte von 1882 bis 1890 die Volksschule in Ober-Roden. Im Anschluss machte er bis 1892 eine Lehre zum Metallschleifer und ging danach auf Wanderschaft. 1896 trat er der SPD bei und musste im selben Jahr seinen Militärdienst ableisten. Nach seiner Rückkehr 1898 arbeitete er bis 1907 als Metallarbeiter. Von November 1907 bis 1920 war er Geschäftsführer des Metallarbeiterverbands in Offenbach, lediglich unterbrochen durch den Ersten Weltkrieg, an dem er von 1914 bis 1917 teilnahm. Im Jahr 1914 war er Vorstandsmitglied der SPD und zugleich Vorsitzender der Verwaltungskommission der Volksfürsorge in Offenbach geworden. Während dieser Zeit war er außerdem von 1913 bis 1919 Stadtverordneter in Offenbach.

Ab November 1918 leitet Weber im Arbeiter- und Soldatenrat Offenbachs den Militärrat. Gegen den Kapp-Putsch 1920 bildete er einen Aktionsausschuss, der eine Kundgebung in Offenbach mit 20.000 Teilnehmern organisierte. Von 1920 bis 1924 war Weber angestellter Revisor des Metallarbeiterverbands für das Reichsgebiet und danach bis 1933 Gewerkschaftssekretär des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes und Vorsitzender des Gewerkschaftskartells in Offenbach. Auch während dieser Zeit war er von 1926 bis 1930 erneut Stadtverordneter in Offenbach und von 1927 bis 1933 Vorsitzender des SPD-Landesvorstands in Hessen. 1924 bis zu seiner Wahl in den Reichstag 1931 gehörte er dem Landtag des Volksstaates Hessen an. Vom 2. Januar 1931 bis zum 22. Juni 1933 war er für den Wahlkreis 33 (Hessen-Darmstadt) Abgeordneter im Deutschen Reichstag.

Nach der Machtergreifung der Nazis begann im Frühjahr 1933 die Zerschlagung der Freien Gewerkschaften. Zahlreiche Gewerkschaftsfunktionäre wurden in den neu geschaffenen Konzentrationslagern wie in Osthofen in angebliche „Schutzhaft“ genommen, darunter auch Wilhelm Weber. Nach seiner Entlassung war er sieben Jahre lang arbeitslos. Erst 1941 fand er wieder Arbeit als Registrator im Bankhaus Friedrich Hengst & Co. Im zivilen Widerstandsnetz, das sein Freund Wilhelm Leuschner insgeheim knüpfte, gehörte Weber zu dem Personenkreis, der nach einem Erfolg des militärischen Widerstandes für den Aufbau demokratischer Strukturen Offenbach und Hessen vorgesehen war. Im Rahmen der „Aktion Gitter“ wurde er erneut verhaftet und von September bis Oktober 1944 im KZ Dachau gefangen gehalten.

Nach dem Ende des Nationalsozialismus war er am Wiederaufbau der Gewerkschaften in Offenbach und in Hessen beteiligt. Von 1945 bis 1949 war er Vorsitzender der Gewerkschaft des Metallgewerbes in Offenbach sowie des Gewerkschaftsbundes im Landkreis Offenbach. Mit der Gründung des DGB auf Bundesebene wurde er 1949 Vorsitzender im DGB-Kreisausschuss in Offenbach und hatte diese Funktion bis 1952 inne. Wilhelm Weber verstarb am 5. Oktober 1959 nach einem Schlaganfall. An seinem Grab würdigte der damalige Offenbacher Oberbürgermeister Georg Dietrich sein Leben. Er sei ganz in Arbeit erfüllt gewesen. Nimmermüde habe Weber den Kampf für alle geführt, die auf der Schattenseite des Lebens stehen. In Offenbach wurde ein Platz nach ihm benannt.

Die Ehrung für Wilhelm Weber steht laut Bürgermeister Rotter im Kontext einer „für Rödermark typischen intensiven Erinnerungskultur“, die gemeinsam mit Bürgern, den Kirchen, dem Heimat- und Geschichtsverein und der Nell-Breuning-Schule ein gutes Fundament gegen das Vergessen und für aktive Beschäftigung mit demokratischen Grundwerten geschaffen habe.

Fixpunkte dieser Erinnerungskultur sind

• die Ehrung von Georg-Aloys Rink, an den eine Straße in Urberach erinnert

• das umfangreiche Werk von Egon Schallmayer und Jörg Leuschner „Ober-Roden und Urberach im Dritten Reich“

• die Schaffung des Gedenkortes Bahnhofstraße 18

• die Verlegung von 6 Stolpersteinen in Ober-Roden und von 13 Stolpersteinen in Urberach

• die Verlegung der Erinnerungsplakette vor der ehemaligen Synagoge Bahnhofstraße 39

• die Jakob-(Jaky-)Hecht-Straße im Baugebiet an der Rodau (ehemaliger Festplatz Ober-Roden) und das jährliche Geburtstagstreffen am 28. Februar am Mandelbaum Rilkestraße

• die Platzierung des Schildes auf dem „Dalles“ (jiddisch: Dorfplatz) in Urberach

• die jährliche Gedenkveranstaltung zur Reichspogromnacht am 9. November am Gedenkort Bahnhofstraße 18 und an der ehemaligen Synagoge

• die jährlichen Veranstaltungen zum Holocaustgedenktag (gemeinsam mit der NBS)

• der jährliche Volkstrauertag

• und aktuell das Jugendtheaterprojekt „Aber es ist doch für immer passiert“, das am 28. Februar Premiere hatte.