Forstrevierleiterin Gabriele Rutschmann-Becker im Portrait Trockenheit und Stürme sorgen für einen Wald an Aufgaben

Die Revierförsterin freut sich über die Setzlinge, die gut angewachsen sind. Foto: Sabrina Schmidt

Rödermark (zss) – Es ruckelt und knackst im kleinen roten Auto, mit dem wir über den Waldweg fahren. Obwohl stets um ein lebendiges Gespräch bemüht, immer wieder Augenkontakt suchend, sehe ich Gabriele Rutschmann-Becker oft erkundend, analysierend in den Wald blicken. Mit großem Interesse, liebevoll und besorgt spricht sie von ihrem Arbeitsplatz. Für sie ist der Wald, ihr Revier, der Rödermärker Forst, mehr als nur ein Ort. An ihren Blicken merke ich, hier fühlt sie sich Zuhause. Als sie mir erzählt, dass eine Buche, an der wir gerade vorbeifahren im Frühjahr noch grünte, während sie sich jetzt in die lange Liste an toten Bäumen einreiht, spüre ich wie sehr sie die dramatischen Veränderungen des Waldes persönlich mitnehmen.

Logisch, das ist ihr Beruf, könnte man an dieser Stelle ganz trocken äußern. Rutschmann-Becker jedoch fühlt sich zur Försterin berufen. Auch in ihrer Freizeit kann sie ihren professionellen Blick auf den Wald nicht ablegen und lässt sich selbst auf privaten Gassirunden mit ihrem kleinen Kollegen und treuen Begleiter Friedel, einem saufarbenen Rauhaardackel, von anderen Forstrevieren inspirieren.

Sorgen wegen dramatischer Veränderung

Schon immer wollte sie Försterin werden, das sagt sie mir strahlend, aber mit einem nachdenklichen Blick. Bereits ihr Vater war Förster und so wuchs sie mit ihren Geschwistern im Wald und mit den Aufgaben eines Revierleiters auf.

„Früher durften Frauen kein Förster werden“, berichtet sie mir ernst. Und auch heute, so wird mir im Laufe des Gesprächs offenbart, ist der Beruf des Revierleiters hauptsächlich in männlicher Hand. Obwohl viele junge Frauen Forstwirtschaft studierten, würden sich die meisten für den Innendienst und einen Job am Schreibtisch entscheiden.

Für sie wäre das nichts, gibt sie mir zu verstehen, die abwechslungsreiche Arbeit in der Natur sei für sie genau das Richtige, wenn auch der Beruf des Revierleiters einen Wandel hin zu Büroarbeit vollziehe.

Dennoch, als endlich auch Frauen Förster werden durften, fackelte die damalige Krankenschwester nicht lange, holte ihr Abitur nach und stürzte sich mit Mitte 20 in das Studium der Forstwirtschaft. „Damals waren wir gerade mal vier Frauen unter den 74 Studenten“, erzählt mir die heute 61-jährige. Immer wieder betont sie in diesem Zusammenhang, dass sie die Möglichkeit ihren Beruf auszuüben, ihre Karriere auszubauen und trotzdem eine Familie zu gründen der starken Unterstützung ihres Mannes zu verdanken habe. Wer jetzt denkt sie sei nur eine weitere verbissene Karrierefrau, hat weit gefehlt.

Vor mir sitzt ein Familienmensch, eine bodenständige Frau und Mutter von zwei Kindern, die es schaffte, alle Aufgaben des Alltags mit denen einer Försterin in Einklang zu bringen. Dies sei unter anderem aber nur möglich gewesen, weil sie bis vor neun Jahren noch in einer kleinen Gemeinde im Taunus lebte und arbeitete und deshalb die flexiblen Arbeitszeiten und Bürodienste so einteilen konnte, dass sie nicht nur ihre Leidenschaft für die Natur ausleben, sondern eben auch ganz normal Mutter sein konnte.

Inzwischen ist sie seit 29 Jahren Revierleiterin. Seit 2011 in Rödermark. Im Januar 2019 wurde ihre Revierleitung um Dietzenbach erweitert. Sie selbst beschreibt Rödermark als urban, als einen Randbezirk zwischen belebten Städten und der Natur. Trotzdem wohnt sie mit ihrem Mann nicht in Rödermark, sondern in einer kleinen Gemeinde in der Nähe von Aschaffenburg. Ihre Arbeit hier beschreibt sie als größtenteils angenehm, auch, wenn sie sich von manchen Einwohnern gerade im Zusammenhang mit Krisensituationen mehr Geduld und Verständnis wünschen würde. Trotzdem, dies sei scheinbar eine Entwicklung der Dienstleistungsgesellschaft, arbeite sie gerne hier, fühle sich hier wohl, respektiert und hätte hauptsächlich mit sehr netten Menschen zu tun.

Humorvoll berichtet sie mir auf welche Herausforderungen sie zu Beginn ihrer Revierleitung gestoßen ist. Dass sie zwar mit Waldarbeitern und anderen Männern ihres Berufes umzugehen wisse, diese sie aber aufgrund ihrer recht schmalen und kleinen Statur oft unterschätzten, schließlich kannten sie sie am Anfang nicht. Sie lacht. Dann greife sie zu ihrer Dienstjacke und schon seien die Standpunkte geklärt.

Rutschmann-Becker berichtet mir von ihrem Alltag, neben Genehmigungen für Holzernten und der Koordinierung von postkatastrophalen Aufräumarbeiten, kümmere sie sich selbst um das Markieren der zu erntenden Bäume, erkunde den Standort und plane Aufforstungsarbeiten.

Obwohl man als Revierleiter einen Jagdschein besitzen muss, läge das Erlegen von Wild in den Händen der Jäger. Sie selbst würde nur gelegentlich im Winter Jagden mit ihrem Hund begleiten. Dies sind dann sogenannte Drückjagden. Trotzdem betont sie, dass auch die Jagd wichtig sei, um den Wald zu schützen. Zu viele Rehe schadeten dem Aufwuchs des jungen Waldes.

Immer wieder kommen wir im Laufe des Gesprächs darauf zu sprechen, wie sich der Wald durch die Klimaerwärmung verändert. Besorgt erzählt sie mir, dass gerade Nadelgehölze und Buchen in den letzten zwei Jahren stark gelitten hätten und große Waldteile komplett abgestorben seien. In der Sonne gelegenen Stammabschnitten würde durch die entstehende Hitze erbarmungslos die Rinde abgesprengt, wodurch die Bäume im Zusammenspiel mit der anhaltenden Trockenheit immer anfälliger für Parasiten und andere Umweltfaktoren würden.

„Das ist äußerst dramatisch“, sagt sie. „Das haben wir so noch nie erlebt“, fügt sie hinzu.

Dennoch scheint sie zuversichtlich. Stolz zeigt sie mir junge Setzlinge. Sie hofft, dass sie sich im Laufe ihres Wachstums an die veränderten Klimabedingungen anpassen und so Stabilität in den Wald bringen. Generell äußert sich die lebenslustige Frau immer wieder sehr reflektiert und zuversichtlich: „Wir dürfen nicht abwarten und nichts tun, dennoch hoffe ich, dass die Natur anpassungsfähiger ist als wir annehmen. Die Natur findet hoffentlich einen Ausweg und was sie uns lehrt ist Demut“.

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