Viel mehr als nur Ersatz für Oma und Opa

Kerstin Kornmann und ihr Sohn Timm freuen sich über Begegnungen mit Rainer und Tina David, die als Wunsch-Großeltern engagiert sind.

Rödermark – Wenn sich Timm im Beiwagen des Motorrads den Wind um die Nase wehen lässt, blickt er begeistert nach links. Dort lenkt Rainer David die Maschine. Für den Grundschüler gibt es in solch glückseligen Momenten keinen Zweifel: Er hat den besten Wunsch-Opa der Welt. Nicht anders ergeht es der dreijährigen Nina und ihrem zwei Jahre älteren Bruder Marc. Wenn das Geschwisterpaar mit Elke Müller-Marquardt spielt, bastelt oder gerade in der Weihnachtsbäckerei beschäftigt ist, vergeht die Zeit wie im Flug. Dann ist Wohlfühlen angesagt mit der tollsten Wunsch-Oma, die man sich vorstellen kann.

Solche Beziehungen, die den Bogen über Generationen hinweg schlagen, gibt es in Rödermark, weil dort das Ehrenamtsbüro der Stadt und der Kinderschutzbund kooperieren. Das Projekt Wunsch-Großeltern ist simpel und soll für beide Seiten von Nutzen sein. Das bedeutet: Melden können sich Elternpaare oder Alleinerziehende, die für ihre Kinder eine Bezugsperson im Seniorenalter suchen, weil die Großeltern weit entfernt leben oder gestorben sind.

Nach Menschen, die mindestens einmal pro Woche etwas mit dem Nachwuchs unternehmen, streckt die Stadt die Fühler aus. Und eben solche Frauen und Männer lassen sich finden, weil bei ihnen umgekehrte Vorzeichen gelten: keine Enkel vorhanden oder sie wohnen hunderte Kilometer weit weg. Eben diese Konstellationen können traurig machen und Sehnsucht wecken.

Rainer David und seine Frau Tina hatten irgendwie Lust, ihre Opa- und Oma-Phase noch ein bisschen zu strecken. Warum also nicht einer alleinerziehenden Mutter mit Sohn zur Seite stehen? Gedacht, gesagt, vermittelt – und einen Volltreffer gelandet. „Es passt einfach rundum. Wir haben praktisch Familienzuwachs bekommen, eine Schwiegertochter und einen weiteren Enkel. Das Vertrauen war gleich da, von Anfang an. Wir genießen die Zeit, wenn wir zusammen sind“, betonen die Davids mit Blick auf Kerstin Kornmann und Sohn Timm. Die geben das Kompliment zurück: „Es könnte nicht besser laufen.“

Seit gut einem Jahr gibt es die Verbindung nun schon. Der Wunsch-Opa ist für Timm zu einem Fixpunkt geworden. Er hilft ihm beim Rasenmähen und beim Schrauben in der Keller-Werkstatt, er bastelt Geschenke aus Holz mit dem 61-Jährigen. Der adoptierte Großvater betont: „Ich bin den Umgang mit Jungs gewöhnt, deshalb hat bei mir und Timm sofort die Chemie gestimmt.“

Auch Elke Müller-Marquardt berichtet über einen guten Draht zu ihren Wunsch-Enkeln. Es sei einfach schön, zu sehen, wie im Umgang mit Nina und Marc der emotionale Bezug immer stärker werde. „Mir ging es in meinem Leben eigentlich immer gut. Die Beschäftigung mit den Kindern betrachte ich deshalb auch als Gelegenheit, der Gesellschaft ein Dankeschön zurückzugeben“, unterstreicht die 59-Jährige.

Wichtig bei alledem sei freilich das ehrliche Ausloten. Müller-Marquardt und die Davids formulieren einen gut gemeinten Ratschlag für angehende Wunsch-Großeltern fast wortgleich. Ihr Tenor: „Man spürt relativ schnell, ob etwas auf längere Sicht funktioniert oder nicht. Und wenn sich der Eindruck aufdrängt, dass das Herz nicht voll dabei ist oder häufiger Misstöne entstehen: Dann nicht zögern und einen Schlussstrich ziehen.“

Fazit: Ein Engagement als Oma oder Opa mit dem Etikett „Wunsch“ kann ungemein motivierend, bereichernd und sinnstiftend sein. Gleichwohl gibt es beim Thema „von Mensch zu Mensch“ keine Garantie für 100-prozentigen Gleichklang. Das lehrt die Lebenserfahrung – und das will und kann auch Ute Schmidt, die Leiterin des städtischen Ehrenamtsbüros, nicht verschweigen.

Weil das Begriffspaar „Vertrauen und Sicherheit“ eine zentrale Rolle spielt, wird bei der Vermittlungsarbeit genau hingeschaut. Die Interessenten werden sehr sorgfältig ausgewählt. Sie unterliegen der Schweigepflicht und müssen alle ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen. Die Beteiligten treffen sich einmal pro Monat zum Erfahrungsaustausch.  
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