„Assistententag“ an Kerschensteiner-Schule offenbart veränderte Arbeitswelt Per Du mit dem Vorstand

„Das ist unsere Erfolgsstory“: So präsentierte die Sparkasse Langen-Seligenstadt Kanita Rehman. Die ehemalige Schülerin an der Georg-Kerschensteiner-Schule hat gerade ihre berufliche Laufbahn bei der Bank begonnen. Bild: gerth

Obertshausen – Mit nur zwei Folien illustriert Anna Bartakovics die alte und die neue Berufswelt. Folie eins zeigt die früheren Kleidervorschriften der Sparkasse Langen-Seligenstadt: Frauen hatten Kostüm oder Hosenanzug zu tragen. Männer mussten mit Anzug und Krawatte erschienen. Und: „Bei Gängen durch das Haus ist das Jacket zu tragen“, hieß es. Folie zwei zeigt die neue Welt, in der „Business Casual“ oder „Klassik Schick“ gelten, also gehobene Freizeitkleidung. „Sie sollen gepflegt sein, sich aber wohlfühlen“, sagt Bartakovics, deren Berufsbezeichnung ebenfalls dem Zeitgeist entspricht: Management Education. „Früher wäre ich Personalreferentin gewesen“, aber das klinge langweilig für Bewerber. Und um mögliche Bewerber geht es an diesem Mittwochvormittag in der Aula der Georg-Kerschensteiner-Schule (GKS), in der wieder zum Assistententag „How to Build your Future“ eingeladen wurde. Seit 2006 gibt es an der berufsbildenden Schule für die Abgänger der Höheren Berufsfachschule des laufenden Jahres diesen Informationstag für berufliche sowie universitäre Möglichkeiten in der Bürowirtschaft. Organisatoren sind immer die zwölften Klassen, in dem Fall 22 Schülerinnen und Schüler der Fremdsprachsekretärinnen und -sekretäre. 2023 gehörte Kanita Rehman noch dazu, am Mittwoch steht sie auf der Bühne und berichtet ihren ehemaligen Mitschülern von ihrer Laufbahn bei der Sparkasse Langen-Seligenstadt. Dort hatte sie nach ihrem Fachabitur im vorigen Jahr ein sechsmonatiges Praktikum absolviert, im September dieses Jahres startet sie an der Berufsakademie Rhein-Main (Rödermark) ein dreijähriges Duales Studium der Fachrichtung „Banking & Finance“. Die 19-Jährige beschreibt gut die neue Generation junger Berufstätiger, für die es normal ist, dass sich auch bei ihrer Sparkasse seit 2021 alle duzen („das ist viel lockerer, auch in der Zusammenarbeit mit dem Vorstand“), Quereinsteiger gefördert werden, und sogar Golf als Betriebssport angeboten wird. Was nach Spaß klingt, ist aber überlegtes Personalmarketing. „Denn es ist schwer, gute Leute zu finden und zu halten“, sagt Erika Gierend-Moeser, HR Business Partner bei der Bank, früher hätte ihr Job Personalleiterin geheißen. Von „Früher“ kann auch Birgit Meese erzählen, seit 1997 Lehrerin an der GKS. Die 58-Jährige hatte von 1985 bis 1988 in einem Hotel in Münster (Westfalen) eine Ausbildung zur Hotelfachfrau absolviert und musste, damals üblich, die spaßig gemeinten Schikanen für Lehrlinge erdulden. „An meinem ersten Tag wurde ich zum Gießen der Seerosen geschickt.“ Meese sagt, dass sich solche Geringschätzung von jungen Leuten kein Betrieb mehr leisten könne angesichts des Nachwuchsmangels. „Die meisten haben das erkannt.“ Der ehemalige GKS-Schüler Sebastiano Marciano berichtet als „Juniorexperte“ von seiner Ausbildung zum Industriekaufmann in der Firma Dekomte (Seligenstadt) und erzählt, dass er bei der Arbeit via Smartphone und drahtlosen Kopfhörern Musik hören darf. Das zeigt, dass die jungen Leute heute im Beruf Freiräume bekommen, von der nicht nur Lehrerin Meese in ihrer Ausbildung kaum zu träumen gewagt hätte. Die Standards bei Angeboten für die Zufriedenheit von jungen Leuten verschieben sich immer mehr nach oben. „Betriebe, die hier den Anschluss verlieren, werden es schwer haben, gute Mitarbeiter zu bekommen“, sagt Meese. Wer Qualität will, muss Qualität bieten – das gilt sogar für Hochschulen, wie beim Vortrag von drei jungen Frauen der Internationalen Hochschule (Frankfurt) deutlich wird. Um für ein Studium dort zu werben, wird sogar ein Automat für kostenlose Energiedrinks aufgeführt. Das sorgt für gute Stimmung in der GKS-Aula, zeigt aber: Der bedrohliche Satz „Lehrjahre sind keine Herrenjahre“ gilt nicht mehr.

Von Steffen Gerth