Günter Broßmann macht Videos von Kohlmeisen-Nachwuchs und stellt sie ins Netz Eine gefiederte Truman-Show

Teilt das Heranwachsen seiner fliegenden Untermieter: Günter Broßmann mit seinem Vogelhaus. Dort filmt er den jüngst geschlüpften Vogelnachwuchs. Bild: Bräuner

Heusenstamm – Für den Laien klingt es einfach nach Frühling, doch Günter Broßmann weiß es besser. „Wir sind zu nah an ihrem Nest“, sagt der Heusenstammer im hinteren Teil seines Gartens und zeigt in den Baum über sich. Und tatsächlich, wenn man es weiß, klingt das Gezwitscher in der Baumkrone regelrecht genervt. Dort zetert nicht etwa der Rohrspatz, sondern Papa Kohlmeise. Mit seiner Partnerin hat der vor knapp zwei Monaten in Broßmanns Garten Quartier bezogen, genauer gesagt in einem vom Gartenbesitzer dort angebrachten Vogelhaus. Was das gefiederte Paar vermutlich nicht weiß: Sie werden dort durchgängig von einer Kamera aufgezeichnet, die Broßmann in dem Häuschen installiert hat.

Dafür hat Broßmann extra ein Kabel von seinem Haus in den hinteren Teil seines Gartens verlegt, erklärt er. Die Bilder aus dem Vogelhäuschen kämen dann per W-Lan direkt auf eine App auf seinem Tablet. „In Echtzeit“, sagt er. Auf seiner Webseite lässt Broßmann nicht nur die Internetgemeinde an der Entwicklung seiner tierischen Untermieter teilhaben. Wenn auch nicht in Echtzeit, so doch auch mit fast täglichen Video-Updates. Wer Broßmanns Meisen-Cam folgt, weiß: am Tag 47 war es soweit. Das erste Kohlmeisen-Küken erblickte das Licht der Welt, seine acht Geschwister folgten im Laufe der nächsten Stunden. Seitdem herrscht Hochbetrieb um die „Meisenkoje“, wie Broßmann es nennt. Denn die Kleinen haben Hunger und ihre Mutter ist schwer beschäftigt, die neun Mäuler zu stopfen. „Im Moment bekommen sie noch vor allem kleine Maden, aber auch Fliegen und Spinnen gefüttert“, beschreibt Broßmann die Diät der Jungvögel. Für die Suche sei die Vogelmutter allerdings immer länger unterwegs.

Denn das Insektensterben durch den Klimawandel bringt nicht zuletzt die heimischen Vögel in Bedrängnis. Im Moment ist für die kleinen Kohlmeisen aber offenbar immer noch genug abgefallen. „Bisher haben alle neun überlebt“, sagt Broßmann, „zumindest, soweit man das auf den Aufnahmen erkennen kann.“

Das ist manchmal gar nicht so leicht, denn die kleinen Piepmätze liegen dicht geknäult in dem Nest, das ihre Eltern ihnen in den letzten Wochen dort eingerichtet haben. Die waren nicht einzigen Interessenten, erinnert sich Broßmann. Eine Blaumeise habe der Familie Konkurrenz gemacht. Für alle, die gerne auch in ihrem Garten den gefiederten Nachwuchs beobachten wollen, hat Broßmann gute Nachrichten. Denn außer einem Stromanschluss bis zu dem Vogelhäuschen und etwas handwerklichem Geschick brauche es eigentlich nur noch die Kamera. „Die kostet um die 25 Euro“, sagt Broßmann.

Abgesehen davon braucht es aber vor allem eines: Geduld. Und die wird im Zweifel nicht einmal belohnt, weiß Broßmann. Im vergangenen Jahr hatte sich schon einmal eine Blaumeisen-Familie bei ihm angesiedelt. Doch das Weibchen kam eines Tages nicht mehr von der Futtersuche zurück – mit fatalen Folgen für den Nachwuchs. Die Lage der neun Kohlmeisen ist aber wie gesagt gut. Noch zwei Wochen hüten sie das elterliche Nest, erwartet Broßmann. „Dann verlassen sie das Vogelhaus und üben im Garten erst mal das Fliegen.“ Sind sie dabei sicher, ist die Zeit des Abschieds allerdings endgültig gekommen, von Broßmanns Garten und seinem Vogelhaus. Bis im nächsten Jahr dann hoffentlich die nächsten gefiederten Heusenstammer dort ihre Familiengründung wagen.

Die Meisen-Cam

kann über heusenstamm-wetter.de aufgerufen werden.

Von Philipp Bräuner

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