Seneca, Drohnen und Nietzsche Ausstellung „Legal Limbo“ in der Eulengasse startet

Vládmir Combre de Sena (links) und Dominik Gussmann vor „Der Tod des Seneca“. Foto: Faure

Bornheim (jf) – Wie schnell sich Leben wandeln kann, erfuhr Seneca am eigenen Leib. Um das Jahr 49 wurde der Philosoph, Dramatiker und Stoiker Erzieher des zwölfjährigen Thronanwärters Nero.

Mit 16 Jahren wurde Nero Kaiser, Seneca gab ihm die öffentliche Mahnschrift „An Kaiser Nero über die Milde“ mit auf den Weg. Milde war sicher nicht im Spiel, als Nero seine Mutter Agrippina umbringen ließ, um die eigene Macht zu festigen. Schließlich wurde auch der ehemalige Lehrer dem Despoten gefährlich. So befahl der Kaiser seinem einstigen Erzieher, sich selbst zu töten. Staatsräson. Seneca schnitt sich die Pulsadern auf, doch der Tod trat erst nach vielen Stunden ein. Ziemlich grausam, wie die gesamte Geschichte des Römischen Reiches, in der es von Morden nur so wimmelt.

In der Fotoradierung „Der Tod des Seneca“ hat Dominik Gussmann dieses Schicksal dargestellt. Die Arbeit ist eine von insgesamt 17 des Künstlers, der im Mai sein Studium an der Hochschule für Gestaltung (HfG) Offenbach beendet hat und in den Räumen Eulengasse nun seine erste Einzelausstellung zeigt.

Der Titel „Legal Limbo“ hat nichts mit dem Tanz unter einer Stange hindurch zu tun, sondern bezieht sich vielmehr auf das englische Wort Limbo im Sinne von Vorhölle. Der juristische Fachterminus „legal limbo“ bezeichnet ein rechtliches Niemandsland, Menschenrechtsorganisationen verwenden den Begriff auch für das Lager in Guantanamo.

Anspielung auf Horkheimer und Adorno 

Vor mehr als fünf Jahren lernten sich Kurator Vládmir Combre de Sena vom Verein Eulengasse und Dominik Gussmann bei einem HfG-Rundgang kennen. Nun haben sie gemeinsam die Ausstellung konzipiert und aufgebaut.

„Der Name meiner Werkgruppe ‚Mythos und Aufklärung’ bezieht sich auf ‚Odysseus oder Mythos und Aufklärung’ von Max Horkheimer und Theodor W. Adorno. In diesem Kapitel aus „Dialektik der Aufklärung“ geht es um die Odyssee, Grundtext der europäischen Zivilisation“, erklärt Gussmann. Odysseus setzt sich mit List, Götterbetrug, Geduld, Verzicht und Verlust durch, kann sich durch Selbstverleugnung selbst behaupten.

Motive aus der Irrfahrt hat der Künstler aufgegriffen, beispielsweise in „Polyphem1“: Marmorne Gliedmaßen des einäugigen Riesen lehnen auf Eisenstützen. „Polyphem“ heißt allerdings auch eine von Deutschland, Frankreich und Italien entwickelte Lenkwaffe. Gussmann zeigt auch diese in einer Druckgrafik.

Mythologie trifft auf Waffentechnik

Der Künstler stellt Themen aus der Mythologie die moderne Waffentechnik gegenüber. „Ich möchte damit das Illegitime staatlicher Gewalt zeigen. Kampfdrohnen töten, aber das wird nicht als Krieg wahrgenommen“, erläutert Gussmann. Im von ihm abgebildeten Schreckensarsenal befindet sich auch „Little Boy“, zynische Bezeichnung der ersten US-amerikanischen Atombombe, die am 6. August 1945 über Hiroshima abgeworfen wurde und bis zu 90.000 Menschen tötete. Eine andere Werkgruppe – drei zweifarbige Mischtechniken aus Fotografie, Malerei und Lithografie – beschäftigt sich mit Friedrich Nietzsche. Man muss genau hinschauen, um Nietzsches Totenmaske zu erkennen. Von Bild zu Bild werden die Konturen schwächer, wird das Abbild kleiner. „Auch der Druckstein wird immer kleiner. So wollte ich verdeutlichen, wie Nietzsche seine geistigen Fähigkeiten verlor, er starb nach elfjährigem Leiden, verfallen, teilweise gelähmt, der Sprachfähigkeit beraubt“, sagt Gussmann. Gleichzeitig wolle er auf diese Weise auch auf den Untergang der Philosophie des 19. Jahrhunderts hinweisen.

Dominik Gussmann braucht viel Zeit für seine Werke. Zunächst entwickelt er eine Idee, dann recherchiert er dazu. Im Internet geht er auf Bildersuche, bereitet eine Fotografie auf, so dass daraus eine Druckplatte hergestellt werden kann, die nach etwa fünf Tagen fertig ist. Die Werke vereinen traditionelle Drucktechnik mit Fotografie und Malerei, der Schönheit der Blätter stehen die Abgründe menschlichen Denkens und staatlicher Gewalt gegenüber, die so auf eine besondere Weise thematisiert werden.

Kunst ist käuflich

Ein auffallend anderes Objekt, eine Keramikarbeit in Blau-Weißem Siebdruck, steht gleich am Eingang der Ausstellung, es ist der vierte und letzte Teil der Serie „Prometheus“ und symbolisiert den tiefen Schlund, in den der Titan und Feuerbringer nach Jahrhunderte langem Leiden fällt und erlöst wird.

Die Ausstellung in der Eulengasse, Seckbacher Landstraße 16, ist bis zum 28. August donnerstags zwischen 17 Uhr und 21 Uhr, freitags zwischen 15 Uhr und 18 Uhr und sonntags zwischen 15 Uhr und 19 Uhr zu sehen. Am Sonntag, 21. August, findet um 17 Uhr ein Künstlergespräch zur Philosophie Ernst Blochs statt. Gussmann schrieb darüber den theoretischen und mit Auszeichnung bewerteten Teil seiner Diplomarbeit, das Buch wird noch in diesem Jahr von der HfG veröffentlicht. Die Druckgrafiken in der Ausstellung der Eulengasse wurden in kleiner Auflage hergestellt und sind (ohne Rahmen) käuflich zu erwerben.