Linksalternative Kultkneipe feiert dieses Jahr 60-jähriges Bestehen Happy Birthday, Club Voltaire!

Richard Ullmer (von links), Lothar Reiniger und Maxim Graubner sind der Vorstand des Clubs Voltaire.

Innenstadt (zmo) – Eigentlich fingen die 60er-Jahre ja beschaulich an. Die Menschen in Deutschland wollten 15 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg einfach nur ihre Ruhe haben. Man wollte nichts mehr wissen von den Schrecken der Naziherrschaft, man wollte leben. Aber es tauchten Ereignisse auf, die die Gesellschaft veränderten. Die Spiegelaffäre, die einen Angriff auf die Pressefreiheit verursachte, die Einführung der Wehrpflicht, die Kuba-Krise, die die Welt an den Rand eines atomaren Krieges führte, Sturmfluten im Norden, der Mauerbau in Berlin, der erste Protestmarsch zu Ostern in der Lüneburger Heide – all dies läutete eine neue Bewegung ein. Es gab Widerstände gegen die Atomkraft, Studenten und Schüler gingen auf die Straßen.

In dieser Phase der Nachkriegszeit eröffnete 1962 in der Kleinen Hochstraße 5 der Club Voltaire, ein politisch-literarischer Verein mit angegliederter Kneipe – und das mitten in der Frankfurter Innenstadt. „Es wurde schon nach kurzer Zeit ein Treffpunkt für viele junge Menschen, die sich einfach danach sehnten, einmal wieder zu diskutieren und zu streiten. Sie wollten unabhängig von den damals verordneten Ideologien der Nachkriegswelt zu eigenen Erkenntnissen kommen. Ob Gewerkschaftsjugend, die Falken, Studenten, Arbeiter, linke Intellektuelle oder Unzufriedene und Neugierige, im Club Voltaire hatten sie ihre neue politische Heimat gefunden“, erzählt Lothar Reiniger, aktueller Vorstand des Vereins Club Voltaire.

Das alles ist 60 Jahre her und wenn man sich heute die Liste der „prominenten“ Besucher des Clubs anschaut, dann ist das fast wie ein mehrstündiger Geschichtsunterricht. Die „Guten Bekannten“, herausgegeben vom Club, sollen an dieser Stelle gekürzt zeigen, wer alles in dem kleinen Fachwerkhaus einen Vortrag hielt, gesungen hat, politisch auf den Tisch schlug oder wer einfach nur sein Bierchen getrunken hat: Verleger Rudolf Augstein, Andreas Bader und Ulrike Meinhof (RAF), Sängerin Joan Baez, Lyriker Wolf Biermann, Satiriker Jan Böhmermann, Politiker Daniel Cohn-Bendit, die Schriftsteller Franz Josef Degenhardt, Christa Wolf und Günter Grass, Studentenführer Rudi Dutschke, Autorin Eva Demski, OB Peter Feldmann, die Politiker Joschka Fischer, Hans-Dietrich Genscher und Gregor Gysi, Kabarettist Urban Priol, Kommunarde Fritz Teufel, der griechische Komponist Mikis Theodorakis und Liedermacher Hannes Wader. Man ist einfach geneigt, weiter zu schreiben, denn die Liste hört nicht auf. Und wer wissen will, wer da noch so alles am Tresen stand oder Reden hielt, der sollte ins Voltaire gehen.

Heute ist es stiller geworden in der kleinen Hochstraße 5. Viele der ehemaligen Besucher sind schon lange tot, viele andere haben sich verändert, sind Außenminister, Anwälte, Unternehmer, Künstler oder Oberbürgermeister geworden – oder haben sich ganz einfach zur Ruhe gesetzt. Früher hatten die Kabarettisten „Die Maininger“ im zweiten Stock des Hauses ihre Aufführungen. Einen Stock tiefer, im Hundesalon „Wau-Wau“, hatten die Vierbeiner ihren großzügigen Wellnessbereich.

Jetzt hat der Club Voltaire das ganze Haus für sich und vermietet es mal an die Grünen, mal an die Linken, mal an die SPD, wenn sie ihre Sitzungen dort machen wollen, wo früher einmal ihr Ursprung war. Aber auch Vereine wie „Oma gegen rechts“, die Organisation Attac oder die Gewerkschaften sind oft präsent. Und die Kneipe ist immer noch geblieben, was sie einst war: Man trinkt sein Bierchen, diskutiert, hört Musik und fühlt sich einfach wohl in der „Heimat“. Infos und Programm gibt’s online auf club-voltaire.de.