Für den Berufswechsel hat der 27-Jährige sich entschieden, da er durch Verwandte und Bekannte festgestellt hat, dass insbesondere Kleinst- und mittelständische Unternehmen nicht darauf vorbereitet sind, offene Rechnungen einzufordern. Dabei sei gerade durch das Post-Covid-Syndrom und die Folgen des Ukraine-Krieges sowie die Inflation der Bedarf nach einem guten Forderungsmanagement da. „Die Kaufkraft lässt bis zum Verbraucher nach“, sagt Kühne. Schließlich seien die Lebensunterhaltungskosten deutlich gestiegen. Und wer sich im letzten Monat noch seine Fitnessstudio-Mitgliedschaft leisten konnte, kann es diesen Monat möglicherweise nicht mehr. „Ob ein ausstehender Betrag beglichen wird, hängt jedoch auch viel mit der Wertschätzung der Kunden gegenüber der Leistung zusammen“, verdeutlicht der Geschäftsführer.
Dabei seien es vornehmlich Dienstleister, bei denen Rechnungen nicht bezahlt würden. Bei Waren finde der Austausch noch eher statt.
Nach dem Geld zu verlangen, fällt dabei vielen Unternehmern schwer, wie Julian Kühne weiter schildert. „Sie haben Angst, dass der Kunde nicht wiederkommt“ Dabei hat der Jungunternehmer bereits die Erfahrung gemacht, dass das Gegenteil der Fall sein kann. So seien etwa Kunden eines Großhändlers wiedergekommen, nachdem der offene Betrag bezahlt war. Viele Schuldner befürchteten, auf die Rechnung angesprochen zu werden und kämen deshalb nicht.
Auf der Seite der Gewerbetreibenden kommt hinzu, dass es für viele Geschäftsleute ein Hemmnis ist, sich an ein Inkasso-Büro zu wenden.
„Viele schämen sich für die offenen Forderungen, weil sie glauben, die Leute würden denken, dass sie ihr Geschäft nicht im Griff haben“, erläutert Kühne. Deshalb sei der persönliche Kontakt wichtig, um ein Vertrauensverhältnisaufbauen zu können.
Wird Julian Kühne dann von einem Unternehmen beauftragt, schickt er zunächst ein außergerichtliches Inkasso-Schreiben mit der offenen Forderung raus. Im Allgemeinen sei es wenig sinnvoll, die Schulden mit aller Gewalt einzutreiben. Zumal sie als Inkasso-Dienstleister dazu verpflichtet seien, kostensparend zu agieren. So werde geschaut, dass man sich außergerichtlich mit dem Schuldner einigen könne. „Wenn dieser jedoch auch auf uns nicht reagiert, geht die Sache vor Gericht“, fährt Kühne fort. Dort würde dann ein Mahnverfahren eingeläutet. „Das eröffnet uns die Möglichkeit, in die Vollstreckung zu gehen“, fährt der Geschäftsführer fort. Als Inkasso-Unternehmen sei es ihnen möglich, alle Besitztümer im mobilen Bereich durch einen Gerichtsvollzieher vollstrecken zu lassen. Meist allerdings komme es eher zu einer Pfändung des Kontos, des Lohnes oder der Wohnungskaution. Kommt es zu einer Verhandlung, wird der Fall an einen Anwalt übergeben. Denn nur er kann vor Gericht für seine Leistungen Geld verlangen.
Dabei sei es nie die Frage, ob ein Gläubiger sein Geld bekomme, sondern wann.
Von Anna Scholze