Judith Köller wurde als Quereinsteigerin zur Erzieherin Ausbildung mit 56 Jahren

Hat noch mal erfolgreich die Schulbank gedrückt: Judith Köller hat sich zur Erzieherin ausbilden lassen.

Erlensee – Die Erlenseerin Judith Köller hatte sich im Alter von 56 Jahren entschieden, eine Ausbildung zur Erzieherin zu beginnen, und arbeitet nun seit einem Jahr als pädagogische Fachkraft in der Evangelischen Kita Rückingen.

Da sie seit ihrer Konfirmation in der Evangelischen Kirchengemeinde Erlensee aktiv ist, ist sie seit 1996 als Aushilfe in der Kita tätig. Zuletzt sogar fest angestellt, allerdings aufgrund der fehlenden Ausbildung zur Erzieherin immer nur befristet.

Doch das Hessische Kinder- und Jugendhilfegesetz sieht die dauerhafte Beschäftigung von Aushilfen in Kitas nicht vor. Es setzt bei der Anerkennung als pädagogische Fachkraft einen engen Rahmen, was verwandte Berufe betrifft. Das nach dem Abitur absolvierte Theologiestudium mit den Nebenfächern Pädagogik und Psychologie berechtigte Judith Köller nicht dazu.

Die einzige Möglichkeit, weiter in der Kita Rückingen zu bleiben, bestand für sie darin, die sogenannte „praxisintegrierte vergütete Ausbildung (PivA)“ zu absolvieren. Das ist ein neuer Ausbildungsgang, der es insbesondere Quereinsteigern leichter machen soll, Erzieher zu werden. Es gibt eine Ausbildungsvergütung, und Teilnehmer verbringen zwei bis drei Tage in der Woche in einer Kita, an den anderen Tagen gehen sie in die Berufsschule.

So entschied sich Judith Köller, noch einmal die Schulbank zu drücken, und beendete die Ausbildung erfolgreich im Januar 2022. In allen Kitas der Stadt Erlensee werden inzwischen mehrere solcher Auszubildenden ausgebildet. Mit Erfolg, denn die Kita-Leitungen schätzen an den Quereinsteigern insbesondere die Lebenserfahrung. Sandra Wunder, die Fachdienstleiterin für Kinderbetreuung, ist in diesem Zusammenhang des Öfteren in Beratungsgesprächen mit Menschen, die gerne noch einmal einen anderen Berufsweg einschlagen und in einer Kita arbeiten würden, denen jedoch die fachliche Qualifikation fehlt.

Aber je älter die Interessenten sind, desto höher sind die Vorbehalte, noch einmal eine ganze Ausbildung zu absolvieren. Das Beispiel von Judith Köller kann hier weiterhelfen. Sie berichtet: „Ich war in meiner Berufsschulklasse mit Abstand die Älteste, was aber kein Problem war. Da meine Ausbildungszeit jedoch in die Corona-Zeit fiel, habe ich zusätzlich Dinge gelernt, die ich so gar nicht erwartet oder geplant hatte.“

So habe sie wie ihre Mitschülerinnen Flexibilität zeigen müssen und die meiste Berufsschulzeit im Homeschooling verbracht. Dazu musste sie sich sehr viel neue Medienkompetenz aneignen, die ihr jedoch schließlich auch im Kita-Alltag zu Gute kommt.

Denn sie war mit einem zweisprachig aufwachsendem Kind Teil der Studie „Landkarte sprachlicher Bildung und Förderung“, in deren Rahmen sie sich weitergehend online fortgebildet und mit dem Kind diverse pädagogische Methoden zum Spracherwerb durchgeführt hat. Zum Abschluss konnten sie und das Kind ihre gemeinsame Arbeit in einem Video dokumentieren.

„Früher habe ich eher intuitiv gearbeitet. Durch die Ausbildung und die Studie habe ich viele neue Methoden kennengelernt und eine stärkere innere Haltung zu Lernprozessen entwickeln können. In unserer Kita gibt das Kind das Thema und das Tempo vor, Partizipation wird ganz großgeschrieben. Das bedeutet, wenn zum Beispiel ein Kind ein Buch von hinten aufschlägt, dann fange ich eben mit dem Kind das Buch von hinten an. Denn es geht beim Spracherwerb nicht darum, einfach nur ein Buch vorzulesen. Wir nennen es Buchbetrachtung, und das Ziel ist es, mit dem Kind ins Gespräch zu kommen, es selbst zum Sprechen zu bringen. Es war erstaunlich, welche Fortschritte das Kind während dieser Zeit gemacht hat.“

Da die Kita Rückingen mit nur zwei Gruppen eine sehr kleine Einrichtung ist, sei auch die Zusammenarbeit mit den Eltern sehr eng. „Wir betrachten nicht nur das Kind, sondern die ganze Familie, und möchten, dass es allen gut geht. Wir hören zu und geben, falls notwendig, Erziehungstipps oder Informationen zu Fachberatungsstellen. Aktuell haben wir ein Flüchtlingskind aus der Ukraine aufgenommen. Da helfen wir auch mal ganz unbürokratisch beim Ausfüllen von Behördenformularen.“

Judith Köller meint, die Ausbildung habe sich gelohnt: „Zum einen konnte ich meine Anstellung in der Kita dauerhaft sichern. Neben den neuen methodischen Impulsen, Themen und Ideen hat die Ausbildung dazu beigetragen, dass ich Prozesse und auch mich selbst ganz anders reflektieren kann. Ich würde sagen, dass ich besser geworden bin, und kann jedem, der gerne mit Kindern arbeitet, aber die gesetzlichen Voraussetzungen noch nicht erfüllt, dazu raten, den Weg in die PivA zu gehen.“

In diesem Jahr stehen in den städtischen Kitas acht Ausbildungsplätze im Rahmen der PivA zur Verfügung. Wer sich für einen Ausbildungsplatz bei der Stadt Erlensee interessiert, kann sich mit der Fachdienstleitung für nähere Informationen und Beratung in Verbindung setzen, z 06183 9151-501 oder Mail: swunder[at]erlensee[dot]de, oder sich auf erlensee.de bei der Stadt bewerben.  
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