Im Frauenhain werden Maintalerinnen für ehrenamtliches Engagement geehrt Unsichtbare Frauen sichtbar machen

Einen Baum im Maintaler Frauenhain am Mainufer zu erhalten, ist eine Ehre, die pro Jahr drei bis vier Frauen oder Frauengruppen zuteilwird. Bild: pm

Maintal – Frauen für ihr ehrenamtliches Engagement ein Denkmal zu setzen – das war und ist bis heute die Idee des Maintaler Frauenhains. Seit 2001 werden am Mainufer in Dörnigheim jedes Jahr um den Weltfrauentag drei oder vier Maintalerinnen oder Maintaler Frauengruppen für ihre herausragenden Aktivitäten mit einer Baumpflanzung geehrt. In den vergangenen 22 Jahren ist aus den spiralförmig angeordneten Linden – die derzeit wegen des Lindenprachtkäfers durch andere heimische Hölzer ersetzt werden – ein begehbarer, lichter Hain gewachsen. Ein lebendiges Denkmal für mehrere Generationen tatkräftiger, inspirierender Frauen.

Darunter sind Maintalerinnen, die sich in ganz verschiedenen Ehrenämtern, in Vereinen, sozial, politisch, kulturell um die Stadtgesellschaft verdient gemacht haben. Ihnen gemein: Sie stehen selten im Rampenlicht. Um das zu ändern und um ihr beispielhaftes Engagement in den Mittelpunkt zu rücken, erhalten sie im Frauenhain einen Baum mit ihrem Namen. „Ursprünglich haben wir Linden gepflanzt als Symbol für den Ortskern, die Mitte der Gesellschaft“, erklärt Annika Frohböse, Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte der Stadt, die das Projekt mit dem Frauenbeirat betreut. „Frauenengagement ist oft nicht so zu sehen und wird seltener öffentlich gewürdigt“, erklärt sie. Das soll der Frauenhain ändern.

Doch die Baumpflanzungen und die damit verbundene Sichtbarkeit können nur ein symbolischer Schritt hin zur Gleichberechtigung sein. „Noch immer übernehmen Frauen den Großteil der Sorgearbeit. Das sieht man daran, dass sie länger Elternzeit nehmen oder sich häufiger kindkrank melden“, sagt Frohböse. Deshalb kämpft sie tagtäglich für die Gleichbehandlung von Frauen. Mit Aktionen über das ganze Jahr hinweg, aber auch ganz konkret, indem sie Frauen berät, die ihre Rechte gegenüber Partnern oder Arbeitgebern einfordern müssen. „Frauenrechte sind auch bei uns noch kein Selbstläufer“, betont Frohböse.

Sie bekommt jedes Jahr Vorschläge für die Ehrung im Frauenhain aus der Stadtgesellschaft auf den Tisch. „Die vorgeschlagenen Frauen kommen aus ganz unterschiedlichen Bereichen und sind bunt gemischt“, sagt sie. Die Auswahl trifft der Frauenbeirat. „Wir holen die Frauen mit dieser Ehrung aus der zweiten Reihe“, sagt Susanne Hoffmann, Sprecherin des Gremiums. Fünf bis acht Namen seien es jedes Jahr, die vorgeschlagen würden. „Viele kennt man nicht“, sagt Hoffmann. Für die drei – in manchen Jahren waren es auch vier – auserwählten Maintalerinnen ist die Baumpflanzung eine große Ehre. Rund 100 Menschen haben sich letzte Woche zwischen den Bäumen am Mainufer versammelt. Es sind die Familien, Vereine, Freunde der Ehrenträgerinnen. Aber auch viele Maintalerinnen, die bereits hier ihren Baum haben, feiern die Baumpflanzung mit Bürgermeisterin Monika Böttcher und Annika Frohböse. In diesem Jahr wurden Ilona Eschelbach, Cornelia Griebel und Agnes Rumrich geehrt. Sie sind sich einig: Ein eigener Baum im Frauenhain – das ist eine Ehre.

„Viele Frauen kümmern sich selbst um ihren Baum und fühlen sich mit dem Frauenhain verbunden“, weiß Frohböse. Oft, sagt sie, wird erst während der Laudationes, die von Angehörigen oder Wegbegleitern aus dem Vereinsleben gehalten werden, klar, was diese Frauen leisten.

Initiiert wurde der Frauenhain – der übrigens laut Stadt einmalig ist – von Ruth Kaib, der ehemaligen Sprecherin des Frauenbeirats, und Anne Denecke, die 26 Jahre lang Frauenbeauftragte der Stadt war. „Uns ist aufgefallen, dass oft überproportional viele Männer geehrt werden“, erklärt Denecke, warum sie den Frauenhain ins Leben gerufen hat. „Dem wollten wir etwas entgegensetzen.“ Gemeinsam mit einer Landschaftsarchitektin sei 2001 das Konzept der begehbaren Baumspirale entstanden – ein Alleinstellungsmerkmal, wie Denecke betont. „Wir haben uns damals für Linden entschieden, die in der Mythologie im Gegensatz zur männlich besetzten Eiche für Weiblichkeit steht.“ Die ersten Vorschläge kamen aus Maintaler Vereinen und den Kirchengemeinden.

„Frauen entsprechen oft nicht den Richtlinien, nach denen zum Beispiel für langjährige Vereinszugehörigkeit geehrt wird“, erklärt Denecke. Oft seien Frauen in Gremien aktiv, deren Mitglieder selten öffentlich gewürdigt würden. „Ohne dieses unsichtbare Engagement von Frauen würde die Gesellschaft zusammenfallen“, stellt Denecke klar. „Es war uns damals ein Anliegen, das herauszustellen.“

Seit 2001 hat sich zwar einiges in puncto Gleichberechtigung getan. Dennoch sei sie nach vor keine Realität. „Frauen sind immer noch diejenigen, die den Hauptteil der Familienarbeit tragen, und daher weniger Zeit fürs Ehrenamt haben“, prangert Denecke an. Auch sie war Gast der Ehrung. „Das sind ganz spannende Frauen“, gratuliert sie den Ehrenträgerinnen.

„Ihr unermüdliches Engagement gestaltet in Maintal ein besseres soziales Miteinander“, zeichnet Annika Frohböse die Maintalerinnen aus, die alle drei sichtlich gerührt sind, in diesen besonderen Kreis aufgenommen zu werden. Frauen seien nach wie vor unterrepräsentiert in Chefetagen und politischen Funktionen, macht Monika Böttcher klar. „Wir sind ungefähr die Hälfte der Bevölkerung – und so wollen wir auch behandelt werden!“, fordert die Bürgermeisterin.

Kurzbiografien der geehrten Frauen und eine Skizze aller Bäume und ihrer Namensgeberinnen findet man auf der Webseite der Stadt. Die Lebensläufe sollen in Kürze auf einer Schautafel an Ort und Stelle per QR-Code abrufbar sein.
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