Aufgerissener Kinzigheimer Weg wird zur Geduldsprobe Klagen über Umsatzeinbußen

Hoffen auf ein schnelles Ende der Bauarbeiten: Regina und Ralf Gessner vor ihrer Tankstelle am Kirlekreisel. Bild: holger weber-Stoppacher

Bruchköbel – Die Baustelle am Kinzigheimer Weg ist für die Anwohner in Bruchköbel eine Geduldsprobe. Ralf und Regina Gessner jedoch leiden ganz besonders unter der Baumaßnahme vor ihrer Haustür. Das Ehepaar betreibt die Classic-Tankstelle am Kreisel der Kirlesiedlung. Seit Beginn der Arbeiten Ende Juni habe sich der Umsatz an der Tankstelle um zwei Drittel reduziert, rechnet Ralf Gessner vor und zeigt auf eine Statistik über die Kundenfrequenz am Nachmittag. Zwischen 17 und 18 Uhr zählen die Gessners in normalen Zeiten bis zu 70 Personen in ihrem kleinen Tankshop, derzeit seien es nur zwischen 30 und 40. Das macht für das Unternehmerpaar einen Unterschied. Denn ihre Haupteinnahmen erzielen sie aus den Verkäufen im Shop, in dem es fast alles für den täglichen Gebrauch gibt, am Sonntag auch frische Brötchen.

Bei dem Ehepaar kommen Erinnerungen an das Jahr 2016 hoch. Damals wurde die Kirle-Brücke über die Bahnstrecke neu gebaut, die Zufahrtsstraße zur Bundesstraße 45 war monatelang gesperrt, der Durchgangsverkehr kam völlig zum Erliegen. Damals habe es dem Unternehmen beinahe die Existenz gekostet. Und auch diesmal wieder geht es für die Gessners ans Eingemachte. Denn durch die Corona-Pandemie habe man in den vergangenen Jahren nicht viele Rücklagen bilden können, sagt Ralf Gessner. Wie damals zahlt den Tankstellenbetreibern auch diesmal niemand einen Ausgleich geschweige Schadenersatz. Solange es eine Zufahrt auf das Gelände gebe, so lange bestehe kein Anlass dazu. Regina Gessner glaubt, dass viele Kunden nicht mehr kämen, weil sie beim Tanken nun auf beengten Verhältnissen rangieren müssen. Viele ältere Leute und auch Fahranfänger trauten sich das nicht zu und zögen dafür eine längere Anfahrt zur nächsten Tankstelle vor. Probleme beim Rangieren hat im Übrigen auch der Tankwagen, der die Gessners wöchentlich mit neuem Sprit beliefert. „Nach der Sperrung der Ausfahrt haben wir Zweifel, dass er überhaupt noch den Einfüllstutzen anfahren kann. Und kürzere Tankwagen gibt es bei der Firma Classic nicht“, erläutert Ralf Gessner. Erst kürzlich hat er Bilder von der derzeitigen Situation an die Classic-Vertriebsabteilung geschickt. Dort zermartere man sich gerade den Kopf darüber, wie Benzin und Diesel weiter angeliefert werden können.

„Ich seh’ ja ein, dass der Kinzigheimer Weg saniert werden muss“, sagt Ralf Gessner, weshalb es in dieser Geschichte auch keinen Schuldigen gibt. Seine Frau und er hoffen auf die Solidarität der Bruchköbeler. Manch ein Stammkunde komme nach wie vor. Und ein paar wenige reisen auch von weiter her an, weil sie sich solidarisch zeigen wollen, hat Regina Gessner festgestellt. Die Nachricht, dass an der Classic-Tankstelle die Not gerade groß ist, hat sich vor allem in den sozialen Netzwerken herumgesprochen.

Sorgen bereitet dem Ehepaar jedoch auch die geplante Verlegung der Bushaltestelle. Der bestehende Busstopp soll vorverlegt und genau auf Höhe der Tankstelle versetzt werden. Für Ralf Gessner ist diese die schlechteste aller Lösungen: Denn die langen Busse stünden dann mit dem Heck vor der Einfahrt der Tankstelle. Kunden könnten nicht mehr zur Zapfsäule vorfahren und müssten darauf warten, bis der Bus weiterfährt. Da werde natürlich der eine oder andere gleich weiterfahren, befürchtet der Bruchköbeler. Vor allem morgens und am Mittag, wenn die vielen Schulbusse aus Hanau kommen, sei die Frequenz der Busse hoch. Eine andere Option gibt es nach Auskunft des Bruchköbeler Bauamts jedoch nicht. An der Stelle, wo sich die Bushaltestelle jetzt befindet, könne sie nicht bleiben. Dort ist die Zufahrt für die Forstfahrzeuge in den Bruchköbeler Wald. Eine Anhebung der Bordsteinkante, damit Behinderte einfacher Zugang zum Bus haben, sei dort nicht möglich, erläutert Tiefbauingenieur Frank Rollmann. Der Hintergrund: Im ganzen Stadtgebiet werden die Bushaltestellen gerade behindertengerecht umgebaut, auch am Kirlekreisel. Eine Verlegung der Bushaltestelle Richtung Kirlebrücke sei auch keine Option, so Rollmann, weil dadurch der direkte Bezug zum Wohngebiet verloren ginge.

Gute Nachrichten hat der Bauingenieur für den Betreiber der Pizzeria „Fantasia“, der derzeit wegen der Bauarbeiten auf seine Parkplätze verzichten muss. Bis Dezember wolle man versuchen, die Stellplätze wieder zugänglich zu machen, sagt Rollmann. Bis dahin werden Ralf und Regina Gessner ihrem Nachbarn nach 19.30 Uhr, um diese Uhrzeit schließt die Tankstelle, ihren Platz zur Verfügung stellen. Man ist solidarisch am Kirlekreisel.
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