Podiumsdiskussion des SPD-Ortsvereins zum Thema Inklusion Bei Barrierefreiheit ist noch Luft nach oben

Auf Einladung des SPD-Ortsvereins Obertshausen waren zur Podiumsdiskussion im Blauen Salon des Bürgerhauses Fachleute aus örtlichen Vereinen gekommen. Foto: Prochnow

Obertshausen (m) – „Funktioniert Inklusion und wenn ja, wie?“ Julia Koerlin weiß, dass auch Menschen mit Behinderungen am gesellschaftlichen Leben teilnehmen möchten. Doch wo stoßen sie an Grenzen? Antworten auf diese Frage wollte der SPD-Ortsverein mit einer Podiumsdiskussion im Blauen Salon des Bürgerhauses bekommen. Dazu begrüßte die Stadtverordnetenvorsteherin vier Fachleute aus örtlichen Vereinen und ein Dutzend interessierte Besucher.

Ausgangspunkt ist, dass die europäischen Staaten die Behindertenkonvention der Vereinten Nationen in nationales Recht übernommen haben. Das bedeutet, die Kommunen sollen Barrierefreiheit herstellen, „aber da ist noch viel Luft nach oben“, stellte die Gesprächsleiterin fest. Mehr als die Hälfte der motorisch eingeschränkten Personen seien Senioren, informierte die SPD-Landtagsabgeordnete und sozialpolitische Sprecherin Ulrike Alex aus Dietzenbach.

Die damalige Aktion Sorgenkind des ZDF dokumentierte die frühere Sichtweise: „Die Betroffenen sind unsere Sorgenkinder, müssen durchs Leben geführt werden“, hieß es. Seit Beginn des neuen Jahrhunderts stehe der Gedanke der Inklusion im Vordergrund. Sie schließe auch Menschen aus schlechten sozialen Verhältnissen und Migranten ein, denn „jeder Mensch ist gleich gut in seiner Andersartigkeit“, formulierte die Politikerin.

In der Republik gebe es 7,8 Millionen Schwerbehinderte, „Menschen mit langfristigen, körperlichen, geistigen, seelischen und sinnesbeeinträchtigenden Handicaps“, erläuterte Alex. Ihnen sichere die Inklusion die „volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft“ zu. Das Konzept griff zuerst jedoch allein für Lernhilfe-Schüler, denn „für die musste man nichts umbauen“. Viele Eltern schicken ihre betroffenen Kinder aber nach wie vor lieber in spezielle Schulen, weil sie da besser gefördert werden. „Es geht sehr langsam voran“, beobachtete der Gast.

Stefanie Moritz-Hagen vom jungen Förderverein des Wohnheims an der Waldschule beklagte, dass sie sich den Integrationsplatz für ihren Sohn mit Behinderung selbst suchen musste. Seit ihr Verein vor einem Jahr gegründet wurde, konnte sie bereits viele Kontakte knüpfen, „niemand reagierte abweisend oder diskriminierend, doch man stößt an Grenzen“. Der Weg, etwas auf die Beine zu stellen, sei sehr dornig.

Nach ihrer Erfahrung stünden die „Türen in den Köpfen offen“, aber im Rathaus fehle eine zentrale Kontaktstelle, ein Inklusionsbeauftragter. „Du musst immer kämpfen, um Aufmerksamkeit zu gewinnen“, fasste die Sprecherin zusammen und vermisst in der Vereinswelt „massiv das Auf-uns-Zugehen“.

Christel Amerschläger vom Vorstand des Sozialverbands VdK kritisierte die Rampe am Rathaus Beethovenstraße, die bei Feuchtigkeit nicht nutzbar sei. In den Aufzug im Verwaltungsgebäude Schubertstraße passe kaum ein Rollstuhl, an vielen der „schönen Bushaltestellen“ blieben Bürger mit Rolli oder Rollator auf der Strecke.

Selbst das sanierte Freizeitbad Monte Mare sei nicht behindertengerecht, gab Hiltrud Rembowski von der Behindertensport-Gemeinschaft zu bedenken. Es fehlen Hebeanlagen oder schräge Ebenen, damit Gehbehinderte in die Becken gelangen, kritisierte die Vorsitzende. „Was behindertengerecht ist, kostet Geld“, brachte Volker Redemann vom Integrativen Schwimmclub Crazy Fish die Situation auf den Punkt.

Ingrid Lochner, Mutter eines Sohnes im Wohnheim Brückenstraße, erinnerte, dass es zwar einen Rechtsanspruch für viele Maßnahmen gebe. Die Politik stehe in der Pflicht, Taten folgen zu lassen. „Wir hätten mehr Durchsetzungskraft, wenn wir eine Auto-Lobby hätten“. Wichtig sei daneben, Schülern soziale Kompetenzen zu vermitteln. Ein Zuhörer plädierte dafür, Behinderungen nicht als individuelle Schicksale zu definieren, sondern als gesellschaftliche Aufgabe. Julia Koerlin und Fraktionschef Manuel Friedrich versprachen, die SPD werde entsprechende Anträge ins Stadtparlament einbringen.