Ein Stück Heimat Trauercafé Ginkgo bietet Geborgenheit im Nordend

Friedrich und Dorothee Willer im Gespräch mit Monika Lange (Mitte). Foto: Faure

Nordend (jf) – Hell, freundlich, einladend – eher wie ein großes Wohnzimmer mutet das Trauercafé Ginkgo in der Eysseneckstraße 54 in den Räumen der Mennonitengemeinde an. Im Juli konnte es auf sein einjähriges Bestehen zurückblicken. Die großen Türen zur Terrasse sind weit geöffnet, Sonnenlicht und Sommerwärme strömen in den Raum, dessen Wände mit farbenfrohen, aber nicht aufdringlichen Bildern geschmückt sind. Liebevoll eingedeckte Tische, Kaffee und Kuchen stehen bereit.

Die Mitinitiatoren Dorothee und Friedrich Willer haben sich mit Monika Lange verabredet – sie gehört seit Anfang an zu den Besuchern des Cafés. „Ich bin im Internet auf diese Einrichtung aufmerksam geworden, als mein Mann gestorben war. Wir waren 27 Jahre verheiratet, nach dem Tod des Ehepartners fühlte ich mich heimatlos. Im Café Ginkgo habe ich ein Stück Heimat wiedergefunden“, erzählt Monika Lange. „Es freut uns, wenn wir Menschen, die einen großen Verlust erlitten haben, helfen können.“ Zum monatlich immer am dritten Samstag zwischen 15 Uhr und 18 Uhr stattfindenden Trauercafé kommen zwischen vier und acht Gäste. Wer reden möchte, findet Ansprechpartner. Wer schweigen möchte, darf das natürlich auch. „Es gibt immer wieder neue Gäste, aber auch solche, die schon ein paar Mal bei uns waren“, weiß Friedrich Willer. „Gäste kommen und gehen – alles bleibt ihnen überlassen. Sie müssen sich nicht anmelden, nichts bezahlen, können auch gerne einen ihnen nahe stehenden Menschen mitbringen, ihre Religionszugehörigkeit wird nicht hinterfragt. Alles bleibt, wenn gewünscht, anonym“, erklärt Dorothee Willer.

„In der Trauer öffnet sich die Seele"

„In der Trauer öffnet sich die Seele, dann ergeben sich automatisch Gespräche. Ich hatte nach dem Tod meines Mannes telefonische Trauerbegleitung in Anspruch genommen. Die gab mir zwar manche Impulse, war jedoch nicht immer angemessen. Im Café bin ich verstanden worden, meine Befindlichkeiten sind auf Resonanz gestoßen, das hat heilende Wirkung“, erläutert Monika Lange. Nach einem Jahr sei sie stabiler geworden, könne ihren Alltag meistern. „Schade, dass mein Mann das nicht mehr erleben kann“, meint sie.

„Für Trauernde ist es wichtig, aus dem schwarzen Loch herauszukommen, die Isolation zu durchbrechen“, verdeutlicht Friedrich Willer. Monika Lange nickt: „Für mich war alles sinnlos geworden. Aber man will nicht nur weiter funktionieren. Die Zuwendung, die ich von meiner Hausgemeinschaft empfangen habe, ebbte ab. Das ist eigentlich ziemlich normal – aber für den Trauernden ist es dennoch nicht leicht zu verstehen. Menschen, deren gesamtes Leben auf einmal zu zerbrechen scheint, brauchen Geduld, müssen wieder lernen, nach Lebendigkeit zu suchen.“ Die Witwe hat viel gelesen, im Internet recherchiert, ist auf verschiedene Foren gestoßen – eine Bereicherung.

Nichts aufschieben

„Irgendwann bin ich mehr nach draußen gegangen, man muss sich manche Dinge erobern“, sagt sie. Sie verstehe inzwischen, dass es Licht auf der Welt gibt: „Aber sehen kann ich es noch nicht. Es gibt lauter kleine neue Pflänzchen in meinem Leben, es kostet Anstrengung, man muss sich aufraffen, wenn man Menschen begegnen will.“ Das fällt an manchen Tagen leichter, an anderen schwerer. „Man lernt, sich selbst zu erkennen, denkt noch einmal über das gemeinsam Erlebte nach. Für mich war alles so in Ordnung, wie es war. Selbst wenn wir nicht alles erlebt haben, was man hätte erleben können. Aber das musste ich erst verstehen. Die Erkenntnis daraus ist: Wenn man etwas will, sollte man das tun und nicht aufschieben“, stellt Monika Lange fest.

Dorothee Willer kennt den Zweifel und die Zaghaftigkeit mancher Trauernden, die später gestehen, wie schwer ihnen der Weg ins Trauercafé gefallen ist. Und die dann froh sind, diesen Schritt getan zu haben. „Vertrauen zu sich selbst ist wichtig“, merkt Monika Lange an. „Für mich ist das Café Heimat und Geborgenheit geworden.“

Das ist eine große Anerkennung für alle Initiatoren, zu denen neben Dorothee und Friedrich Willer auch Renate Bürcky und Doris Hege gehören. Sie sind sich einig: Das Trauercafé Ginkgo macht weiter. Das nächste Treffen findet am Samstag, 20. August, statt. Mehr dazu ist im Internet unter www.trauercafe-ginkgo.de zu erfahren.