Auf Entdeckungsreise in den Frankfurter Stadtteilen Westend: Bildung, Palmen und Baukunst

Die Westend Synagoge ist die größte Synagoge in Frankfurt.

Nennt man einen Frankfurter Stadtteil, hat fast jeder ein bestimmtes Wahrzeichen, etwas für den Stadtteil Typisches oder auch ein Klischee vor Augen. Redakteurin Sabine Hagemann hat die Frankfurter Stadtteile besucht, sie erlaufen, auf sich wirken lassen und sich umgeschaut, was es dort neben den üblichen Sehenswürdigkeiten noch so gibt.

Natürlich fällt mir zum Westend sofort der Campus Westend der Frankfurter Universität ein. Auch der Palmengarten und der Grüneburgpark kommen mir in den Sinn. Als ich mir dann die Gemarkung des Stadtteils anschaue, stelle ich fest, dass die „gefühlten Grenzen“ nicht unbedingt mit den amtlichen übereinstimmen. So gehört zum Beispiel der östliche Teil des Messegeländes inklusive Messeturm, Festhalle und „Hammering Man“ zum Westend – die Grenze ist die S-Bahn-Strecke. Auch das Naturmuseum Senckenberg und ein großer Teil des Unicampus Bockenheim liegen in den amtlichen Grenzen des Westends. Und im Osten des Stadtteils ist nicht etwa am Reuterweg Schluss, sondern erst an der Eschersheimer Landstraße.

Ich starte meine Tour am Grüneburgpark auf Höhe der Miquelallee, wo mich gleich der Wasserturm der Villa Grüneburg, der mittlerweile als Wohnhaus genutzt wird und „Haus Rapunzelturm“ heißt, begrüßt. Folgt man der Sebastian-Rinz-Straße in den Park gelangt man zur Freilichtbühne der Dramatischen Bühne und zur griechisch-orthodoxen Georgioskirche, die durch ihre reichen Verzierungen und goldenen Dächer auffällt. An den Grüneburgpark schließen sich im Westen der Botanische Garten Frankfurt und der Palmengarten an. Im Palmengarten kommen nicht nur Pflanzenfreunde auf ihre Kosten – seit vergangenem Jahr gibt es dort auch ein Schmetterlingshaus mit exotischen Faltern.

Durch Straßenzüge mit herrschaftlichen Häusern komme ich zum Beethovenplatz. Blickfang dort ist das Ökumenische Zentrum Christuskirche. Das Gotteshaus wurde vom dänischen Architekten Aage von Kauffmann entworfen, der sich dafür von bretonischen und englischen Kirchengebäuden inspirieren ließ.

Mein Weg führt mich weiter westlich zur Senckenberganlage, auf der ein Tyrannosaurus Rex –zum Glück nur in Gestalt einer Nachbildung – sein Unwesen treibt. Von der Anlage blickt man auf das Gebäudeensemble Senckenberg-Bibliothek, Naturmuseum Senckenberg und die Sternwarte des Physikalischen Vereins. Die „Stars“ des Senckenberg-Museums sind sicher die riesigen Dinosaurierskelette, aber auch die umfangreichen Sammlungen von Tierpräparaten haben schon Generationen von Frankfurtern beeindruckt. Schlau machen auch Besuche beim Physikalischen Verein, der mit „Astronomie am Freitag“ Vorträge für jedermann über Galaxien, Sterne und Planeten hält. Überhaupt sind Bildungseinrichtungen im Westend ein großes Thema! So ist auch meine nächste Station das Mitmach-Museum Experiminta Science Center an der Hamburger Allee, bevor ich dann von der Ludwig-Erhardt-Anlage aus den Blick auf Festhalle, Messeturm und den „Hammering Man“ auf mich wirken lasse.

Danach wage ich mich in den Nordosten vor und folge der Straße Niedenau zum Kettenhofweg und dem dortigen Museum Goldkammer. „Degussa Sonne/Mond Goldhandel“ finanziert das Museum, das in unterirdischen Kammern Goldartefakte präsentiert und von der Entstehung und Verarbeitung des Edelmetalls berichtet. 2020 heimste das Museum den Lichtdesignpreis in der Kategorie Museum ein. Geht man von dort aus den Kettenhofweg weiter in westlicher Richtung, kommt man zum Livingstonschen Stallgebäude. Die reich geschmückte Dreiflügelanlage aus dem Jahr 1880 wurde als Pferdestallung und Kutschenremise errichtet, heute dient das Bauwerk als Restaurant. Der Frankfurter Presseclub hat im Obergeschoss Veranstaltungsräume.

Es geht weiter in den Norden, in den Rothschildpark. Die kleine Oase beherbergt einen niedlichen neugotischen Zierturm, der einem das Gefühl vermittelt, man müsse schnell noch eine Prinzessin retten. Kunst gibt es dort vom Bildhauer Georg Kolbe. Sein „Ring der Statuen“ besteht aus sieben Bronzefiguren nackter Menschen und Marmorstelen, die im Kreis angeordnet sind. Ich verlasse den Park mit Blick auf das spanische Kulturinstitut Instituto Cervantes, quere den Reuterweg und schlendere die Promenade „An der Welle“ entlang. Namengebend ist dort der Gebäudekomplex Frankfurter Welle mit wellenförmigem Hochhaus – ein futuristisch anmutender Hingucker. Hochhäuser prägen das Bild im Westend ebenso wie die schmucken Villen. Bürotürme wie die der Deutschen Bank, das Westend 1 mit seiner markanten „Krone“ am Dach oder der gelb-beige Opernturm ragen im Westend in den Himmel.

Jetzt geht es erst einmal wieder ein Stück Richtung Westen und über die Freiherr-vom-Stein-Straße in den Norden, um einen Blick auf die Westend Synagoge zu werfen – die größte Synagoge in Frankfurt. Sie überlebte als einzige von ehemals vier großen Frankfurter Synagogen schwer beschädigt die Novemberpogrome und Bombenangriffe des Zweiten Weltkriegs.

Im Anschluss führt mich der Weg noch weiter Richtung Norden und schon bin ich auf dem Campus Westend angekommen. Ich verweile ein bisschen am Brunnen zwischen der Rückseite des I.G.-Farben-Hauses, das Hauptgebäude des Campus’ Westend, und dem Casinogebäude, bevor ich über den Campus schlendere und der acht Meter hohen Figur „Body of Knowledge“ auf dem Theodor W. Adorno-Platz einen Besuch abstatte. Die Skulptur ist aus einzelnen Buchstaben acht verschiedener Alphabete zusammengesetzt und fügt sich wunderbar in die Uni-Gebäude ein. Mit vielen neuen Eindrücken trete ich den Heimweg an.

Weitere Artikelbilder