Auf Entdeckungsreise in den Frankfurter Stadtteilen Praunheim: Landleben trifft Siedlungsbau

An der Steinbachmündung ist eine Nutria-Kolonie zuhause.

Frankfurt (sh) – Nennt man einen Frankfurter Stadtteil, hat fast jeder ein bestimmtes Wahrzeichen, etwas für den Stadtteil Typisches oder auch ein Klischee vor Augen. Redakteurin Sabine Hagemann hat die Frankfurter Stadtteile besucht, sie erlaufen, auf sich wirken lassen und sich umgeschaut, was es dort neben den üblichen Sehenswürdigkeiten noch so gibt.

Mit Praunheim verbinde ich die Praunheimer Werkstätten, eine mittlerweile überregionale Einrichtung, in der Menschen mit Behinderung arbeiten. Praunheim hat außerdem viel ländlichen Charme und Siedlungen, die geprägt sind von Ernst-May-Wohnhäusern.

Ich starte meine Tour an der U-Bahn-Endhaltestelle „Hausen“, laufe von dort die Praunheimer Landstraße entlang und biege rechts in die Straße An den Pflanzländern ein. Dort sind Mitte der 60er-Jahre zehn Atelierhäuser entstanden. Die Bildhauerin Cläre Bechtel setzte sich für den Bau der Künstlerkolonie ein. Diese entstand an einem der Zugänge zum Gelände für die 1969 geplante Bundesgartenschau, die aus finanziellen Gründen doch nicht stattfand. Die Künstlerkolonie wurde jedoch gebaut. Die „Buga“ ging dann tatsächlich 1989 in Frankfurt in Szene. Dafür wurde der 168 Hektar große Volkspark Niddatal angelegt, der an die Stadtteile Praunheim, Nordweststadt, Ginnheim, Hausen und Bockenheim grenzt.

Am Rand des Parks entlang laufe ich nach Norden und passiere auf Höhe des Wasserwerks den Garten, der zugleich Arbeitsstätte der 2010 verstorbenen Bildhauerin Marita Kaus war, über die ein Schild des Vereins Kunstwerk Praunheim informiert. Ich überquere die Nidda über das Praunheimer Wehr. Ein paar Schritte weiter, wo der Steinbach in einen Nidda-Altarm mündet, hat sich eine Nutria-Kolonie angesiedelt. Die putzigen Tiere unterschiedlichen Alters schwimmen dort mit den Enten um die Wette.

Weiter geht es an der Praunheimer Mühle vorbei, wo sich eine Wohnanlage der Praunheimer Werkstätten befindet, zur Zehntscheune. Der Bürgerverein Praunheim erwarb das Baudenkmal 1996 und nahm dessen Sanierung in Angriff. Das Haus ist zu einer beliebten Veranstaltungsstätte geworden, in der auch die Historie des Stadtteils lebendig gehalten wird. Beim jährlichen Zehntscheunenfest kommt der ganze Stadtteil zusammen. Direkt nebenan befindet sich die evangelische Auferstehungskirche. Zwei der großen Fenster des Gotteshauses sind farbig gestaltet, nach Entwürfen des Praunheimer Kunstmalers Willi Petri.

Ich begebe mich zur Straße Alt-Praunheim, wende mich zunächst aber dem Kreisel an der Heerstraße zu. Dort wurde 2019 ein Meilenstein der „Via-Regia-Kulturroute“ aufgestellt. Er erinnert an die älteste und längste Landverbindung zwischen Ost- und Westeuropa, die von Kiew bis nach Santiago de Compostela verläuft. Die Handels-, Heeres-, Pilger- und Reiseroute führte auch dort entlang. Vom Kreisel aus werfe ich einen Blick auf das imposante Gebäude des Krankenhauses Nordwest.

Zurück auf der Straße Alt-Praunheim zum Vespa-Museum, das sich auf der umgebauten Kegelbahn der Gaststätte „Alt-Praunheim“ befinden soll. Von außen ist leider nichts zu sehen, im Internet heißt es „vorübergehend geschlossen“, während an anderer Stelle steht, dass es an jedem dritten Dienstag im Monat geöffnet hat. Aber auch die Gaststätte selbst, ein schmuckes Fachwerkhäuschen, ist schon ein Hingucker.

Wieder auf der Heerstraße staune ich auf meinem Weg zur Eberstadtstraße über das riesige Firmengelände von Mercedes-Benz und das hübsche Backstein-Tor zur Landesfachschule des Kfz-Gewerbes Hessen. In der Eberstadtstraße schaue ich mir den Bunker an, in dem Wohnraum entstehen soll. Ein Nazi-Reichsadler aus Sandstein breitet an einer Ecke des Bauwerks seine Flügel aus. Laut eines Berichts der Frankfurter Rundschau ist es der einzige Bunker im Stadtgebiet, an dem die Nationalsozialisten ein solches Symbol angebracht haben.

Auf Höhe der Ludwig-Landmann-Straße begebe ich mich erst einmal Richtung Norden, zur Christa-Maar-Straße, in der sich die aktuelle Praunheimer Werkstätte befindet. Danach marschiere ich die Ludwig-Landmann-Straße Richtung Süden entlang. Links von mir befindet sich die Siedlung Praunheim, die älteste, die im Programm des „Neuen Frankfurt“ gebaut wurde. Die charakteristischen Häuser mit ihren Flachdächern wurden dort bunt angestrichen, was die einheitliche Struktur angenehm auflockert. Im Damaschkeanger schaue ich mir die architektonisch passende katholische Christ-König-Kirche an, bevor ich mich zur „Adlerwiese“ begebe, die sich im Winter – also, wenn Schnee liegt – in einen Rodelhang verwandelt.

Über die Praunheimer Hohl spaziere ich am Fußballplatz der SG Praunheim vorbei. Aus der Frauenfußballabteilung des Vereins ist der erste FFC Frankfurt hervorgegangen. Ich laufe zur Nidda, über die dort der Willi-Petri-Steg führt, und taste mich an einem Altarm entlang zur Stephan-Heise-Straße. Dort stehe ich vor der Frankfurter Tier-Tafel und in der Siedlung Westhausen. Sehenswert ist der Friedhof Westhausen, auf dem sich einer der vier Ehrenfriedhöfe Deutschlands für italienische Kriegsopfer befindet. Eine weitere Besonderheit hat das Gymnasium Liebigschule an der Kollwitzstraße zu bieten: Es verfügt über eine eigene Sternwarte und Astro-AG.

Ich unternehme noch einen ausgedehnten Spaziergang entlang des Niddaufers in nördlicher Richtung, bis ich an der Praunheimer Brücke ankomme. Dort werfe ich noch einen Blick auf das ehemalige Gebäude der Praunheimer Werkstätte, das derzeit noch als Flüchtlingsunterkunft genutzt wird. Der Verein Kunstwerk setzt sich dafür ein, dass das Objekt künftig zu einem Zentrum für Kunst und Kultur wird. Nach einer Erfrischung im Café an der Praunheimer Brücke mache ich mich wieder auf den Heimweg.

Weitere Artikelbilder