Benjamin Weiler saniert in Ostheim eine Hofreite und erfüllt sich einen Traum Investition in die Zukunft

Die Außenansicht zeigt das Fachwerkhaus in der Ostheimer Schinnergasse noch vor Beginn der Sanierungsarbeiten. Bild: privat

Nidderau – Haufen von Bauschutt und Sperrmüll liegen im Hof. Unter dem Dachvorsprung der Nebengebäude, die an die mächtige Scheune anschließen, steht ein hölzernes Wagenrad neben einer alten Truhe und einem Dreschflegel. Ziegelsteine, die in den Gefachen des Wohngebäudes verbaut waren, lagern geschichtet auf einer Palette und warten darauf, dass sie bei der Gartengestaltung wiederverwendet werden.

Im Innern des 170 Jahre alten Fachwerkhauses in der Ostheimer Schinnergasse erinnert kaum noch etwas daran, dass hier bis vor etwa eineinhalb Jahren die Familie der Vorbesitzer über mehrere Generationen gelebt hat. Im unteren Geschoss ist der blanke Erdboden freigelegt. An den Decken ist der Blick frei auf die mit Stroh und Lehm, Streu und Federn verfüllten Bretter. Die Wände sind herausgenommen. Nur noch das freigelegte tragende Fachwerk zeigt den Grundriss der Räume an.

„Das Fachwerk soll teilweise so offen bleiben“, schildert Benjamin Weiler mit leuchtenden Augen. „Für ein so altes Fachwerkhaus sind die Räume ziemlich groß und hoch. Auch die Statik ist dank der tragenden Balken aus Eichenholz okay, da wippt nichts“, erläutert der 35-Jährige. „Nur im Splintholz ist der Wurm drin, aber dramatische Schäden an der Bausubstanz haben wir nicht festgestellt.“

Wenn man den gebürtigen Steinheimer reden hört, könnte man meinen, dass es nicht sein erstes Sanierungsprojekt ist. Mit seiner ehemaligen Lebensgefährtin hatte er vor Jahren die gemeinsame Wohnung in Windecken renoviert. Und schon als Jugendlicher habe er bei Verwandten Parkett verlegt. „Wenn ich nicht Chemiker geworden wäre, dann vielleicht Handwerker“, sagt Weiler. Aber ein Projekt in dieser Größenordnung ist für ihn natürlich schon eine große Herausforderung.

„Wir haben hier rund 70 Tonnen Bauschutt und vier Tonnen Sperrmüll herausgeholt“, berichtet Benjamin Weiler, der das Gehöft mit rund 650 Quadratmetern Hof- und Gebäudegrundfläche sowie weiteren 1000 Quadratmetern Garten im März vergangenen Jahres gekauft hat. „Einige sagen, es würde jetzt schlimmer aussehen als vorher. Aber man muss eben erst die Grundsubstanz freilegen und beurteilen, bevor man etwas Neues aufbauen kann. Ich sehe weniger die Arbeit, sondern das Ziel, wo ich hin will.“

Eine erste Einschätzung zur Bausubstanz hatte sich Weiler noch vor dem Kauf durch einen Gutachter geholt. Durch Gespräche mit dem Architekten und dem Zimmermann wusste der promovierte Chemiker, was auf ihn zukommt. Seine naturwissenschaftlichen Kenntnisse und Denkweise helfen ihm beim Verständnis für die bauphysikalischen Zusammenhänge und die Reaktion der Baustoffe.

Und auch durch seine sportliche Betätigung bringt der 35-Jährige ein solides Rüstzeug mit. Denn Weiler ist Triathlet und beim Tria-Team Bruchköbel aktiv. „Beim Laufen kommen mir gute Ideen. Und die mentale Stärke und körperliche sowie geistige Ausdauer helfen dabei, dass bei einem solchen Langzeitprojekt nicht so schnell Frust aufkommt. Es ist eben ein Marathon und kein Sprint.“

Wie lange es dauern wird, bis Benjamin Weiler sein frisch saniertes Fachwerkhaus mit am Ende 240 Quadratmetern Gesamtwohnfläche beziehen kann, hängt auch von der Verfügbarkeit der nötigen Materialien und Technik ab. Beispielsweise von der Lieferung der Wärmepumpe und anderer Komponenten, die für eine denkmalschutzgerechte und energetische Sanierung nach entsprechendem KfW-Standard nötig sind. Und trotz der staatlichen Förderung und rund 30 Stunden Eigenleistung pro Woche wollen am Ende natürlich auch noch die Kredite bedient werden.

Aber für Benjamin Weiler steht fest, dass sich der Einsatz lohnt. „Ich investiere in die Zukunft“, sagt der Steinheimer. Den Charme des Gebäudes will er dabei erhalten, das hat er den Vorbesitzern zugesagt, aus deren Fotoalben er sich frühere Aufnahmen des Hauses abfotografiert hat. Alte Gegenstände sollen eingebunden werden. So ist die hölzerne Truhe im Hof als Waschbeckenunterschrank im Bad vorgesehen, und auch das Wagenrad soll einen Ehrenplatz bekommen.

„Es war mein großer Traum, einmal auf dem Land ein solches Gehöft zu bewohnen. Und hier in Nidderau ist die Stadt ja trotzdem nicht weit.“ Die Ostheimer jedenfalls haben den zukünftigen Bewohner der Schinnergasse bereits herzlich aufgenommen. „Einige schauen ab und zu vorbei, um sich ein Bild vom Baufortschritt zu machen und ein wenig zu fachsimpeln“, berichtet Weiler. „Im Winter haben die Nachbarn Tee vorbeigebracht. Und durch meine Zeit in Windecken habe ich in Nidderau auch einen Freundeskreis.“ Und lachend fügt er hinzu: „Bis jetzt hab ich meine Entscheidung jedenfalls noch nicht bereut.“
 jow