Die Büchertalschule setzt auf ganzheitliche musisch-kulturelle Bildung Musik zieht sich durch den Alltag

Finale der Opernaufführung an der Büchertalschule: Das Ensemble braucht Verstärkung, Lehrerin Marie-Christine Sauer (Zweite von rechts) springt ein. Bild: ulrike pongratz

Maintal – Ein wenig aufgekratzt waren sie schon, die Schülerinnen und Schüler der Büchertalschule. Denn zu Gast war die „JO! Die junge Oper“ aus Detmold und hatte „Abu Hassan“, ein Singspiel von Carl Maria von Weber, im Gepäck – im VW-Bus, um es genau zu sagen. Mit wenigen Accessoires und Palastkulisse im Hintergrund befanden sich die Schüler in einer Szenerie von Tausendundeiner Nacht wieder.

Mit bunten Tüchern, Triangeln und Schellen spielten die Jungen und Mädchen bei der Ouvertüre der Oper mit. Damit alle zwölf Klassen das Musiktheater erleben konnten, gaben die Sopranistin Angelina Billington, Tenor Wolfram B. Meyer und Bariton William Weidner zwei Vorstellungen in der Turnhalle. Von Anfang an bezogen sie die Kinder in das Geschehen ein, spaßten und erzählten die spannende Geschichte, wie Abu Hassan und seine Fatima ihren Schuldenberg loswerden wollen.

Die Hanauer Grundschule zwischen Mittel- und Wachenbuchen wurde vor kurzem erneut als musikalische Grundschule zertifiziert. „Eine musikalische Grundschule macht es sich zum Ziel, die kulturelle Bildung als ganzheitliches Bildungsziel allen Schülerinnen und Schülern anbieten zu können und setzt damit auf mehr Chancengerechtigkeit“, sagt Michaela Primus, seit 2022 Musikkoordinatorin der Schule. Fachlich unterstützt wird sie von Christian Kraus, Musiklehrer und Ausbilder für Musik, und Schulleiterin Gesa Lückhoff, die ebenfalls Musik unterrichten. Nicht nur die Schulleitung, das Kollegium, Eltern und Elternbeirat bis hin zum Förderverein sind davon überzeugt, „dass Musik mehr kann als nur gut klingen. Lieder, Rhythmik und Melodie sind oft der erste Türöffner, wenn die Sprache noch nicht da ist“, erklärt Musiklehrerin Primus.

Wie sich „mehr Musik“ im Unterricht umsetzen lässt, wie Musik in andere Fächer hineinwirkt und was das für den Schulalltag bedeutet, das wird in einem jährlichen Aktionsplan festgelegt. Jede der fünf musikalischen Grundschulen im Main-Kinzig-Kreis setzt eigene Akzente. „Dabei steht uns Susanne Fries vom staatlichen Schulamt mit Rat und Tat zu Seite“, sagt Primus.

In der Büchertalschule führt ein musikalischer Kalender durch das Jahr, der über den Musikunterricht hinausweist. Zum Ende des Monats treffen sich alle 270 Kinder auf dem Schulhof, um gemeinsam das Lied, das „Rhythmical“ (einen rhythmisch gesprochenen Text) oder den Tanz des Monats zu verabschieden. Immer montags findet für alle, die Lust haben, eine musikalische Pause statt. Im Matheunterricht dürfen die Kinder einen „1x1-Rap“ grooven und in Deutsch eine Geschichte „verklanglichen.“ Auf dem diesjährigen Aktionsplan stehen neben der Oper „Abu Hassan“, die der Elternbeirat finanziert hat, zwei weitere große musikalische Projekte: Die Jahrgänge drei und vier proben eifrig das Musical „Es ist kurz vor Zwölf“, das sie aufführen werden. Im Juni steht der „African Day“ auf dem Programm, ein Projekttag, der Afrika als „Wiege der Musik“ mit Liedern und Tänzen und weiteren Aktionen in den Fokus rückt. Im Sommer heißt es auch „Bühne frei“ für die musikalischen Grundschulen des Kreises. Sie geben ein Konzert in der Klosterberghalle Langenselbold. Hier präsentiert sich die Büchertalschule mit ihrem Schulchor „allegro grandioso“ und zwei Szenen aus dem Musical „Es ist kurz vor Zwölf“. Im Gegensatz zum orientalischen Singspiel „Abu Hassan“ ist die Vorführung des Schülermusicals für die Schulgemeinde und Interessierte offen.

„Die aktuellen Pisa-Ergebnisse haben gezeigt, dass im deutschen Bildungssystem die Weichen neu gestellt werden müssen. Mit einer ganzheitlichen musisch-kulturellen Bildung, die Tag für Tag auf mehr Chancengerechtigkeit setzt, ist die Büchertalschule auf dem richtigen Weg“, sagt Musikkoordinatorin Primus. Die Kinder erfahren nicht nur etwas über Stimmlagen von Männern und Frauen. Sie sind in eine andere Lebenswelt eingetaucht, haben mit den Hauptfiguren gebangt und – vielleicht zum ersten Mal – ausgebildete Opernstimmen hautnah erlebt.
 upo