Kolpinger klären im Pfarrsaal Herz Jesu über Siegel und mögliche Probleme auf Fairtrade verstehen lernen

Was hier wie ein Spiel aussieht, ist purer Ernst. Mit Spielfiguren und Dollar-Scheinen wird aufgezeigt, welcher Kontinent sich im globalen Handel wie verhält. Foto: m

Obertshausen (m) – Spielfiguren vom „Mensch, ärgere dich nicht“, echte Dollar-Scheine, Luftballons, Müsli-Riegel und Eichenblätter aus Papier verteilen sich über China und Indien, liegen auf Zentralafrika, Mitteleuropa, Brasilien, den USA und Australien. Die Frauen und Männer stehen etwas ratlos um die Welt, verschieben immer mal wieder ein paar Banknoten, Ballons oder Blätter auf der Karte, dann erfahren sie, wie’s wirklich aussieht auf dem blauen Planeten.

Hans Jürgen Grab, Vorsitzender der Kolpingfamilie Obertshausen, begrüßte im Pfarrsaal Herz Jesu Klemens Euler aus Eppertshausen, den Vorsitzenden des Eine-Welt-Vereins in seiner Pfarrei, Landessprecher der Fair Trade Handelsberatung Hessen sowie Geschäftsführer des Kolpingwerks in der Diözese Mainz. Er klärte Kolpingbrüder und -schwestern sowie seltene externe Besucher über die Organisationen des fairen Handels auf.

Die Zuhörer sollten dabei selbst aktiv werden, den Anteil der Kontinente an der Weltbevölkerung, an Brutto-Sozialprodukt, CO2-Ausstoß, Energieverbrauch und Waldanteil schätzen. Fast bei allen Maßeinheiten steht Asien weit vorne, dort leben 60 Prozent der Menschen und die rasant wachsende Industrialisierung steigere die Schadstoff-Emissionen, die durch fehlende Bewaldung nicht neutralisiert werden können. Die Produktivität von Afrika und Südamerika ist nach wie vor sehr gering, belegen die Zahlen.

Schlimm sei aber auch die Ausbeutung der Völker in diesen Regionen. Der „faire Handel“ hat 1959 in den Niederlanden begonnen, Oxfam war 1964 die erste alternative Organisation. In den 70ern fanden Hungermärsche statt, schilderte der Gast die Entwicklung, ’72 gingen die ersten Import-Unternehmen wie Puente, GEPA, Banafair und dwp an den Start. Es folgten Kampagnen wie „Jute statt Plastik“, GEPA-Waren werden seit 1989 auch in Supermärkten angboten.

Die Gruppen bauen für Veränderungen im Bewusstsein der Gesellschaft auf die Macht der Konsumenten. Ein Drittel der fair gehandelt Waren seien derzeit Kaffee, dann kommen Schokolade und Orangensaft, der als Konzentrat ausgeliefert wird. Die Sparte machte 2017 1,7 Milliarden Euro Umsatz, Tendenz weiter steigend.

Ein Problem für den Kunden seien die mehr als 30 Siegel, die den gerechten Handel eines Produkts bescheinigen, gab Euler zu bedenken, und selbst Artikel ohne eine solche Kennzeichnung erfüllen die Kriterien.

Oft sei die Überprüfbarkeit von Projekten kompliziert. „Je größer eine Kooperative ist, desto schwieriger ist es, faire Handelspraktiken einzufordern.“

Die Organisation fordere eine gerechte Bezahlung, keine ausbeuterische Kinder- oder Zwangsarbeit unter menschenunwürdigen Bedingungen, ferner Aus- und Weiterbildung, einen sauberen, biologischen Anbau sowie Maßnahmen zum Umweltschutz. Der Zwischenhandel sei sehr lukrativ, müsse aber minimiert werden, denn „kleine Kooperativen haben dabei keine Chance, ihre Produkte auf den Weltmarkt zu bringen“.

Fair Trade fordere eine ökologische Landwirtschaft, bessere Arbeitsbedingungen, ein existenzsicherndes Einkommen. „Das ermöglicht aber keinen Luxus wie hierzulande“, stellte der Kolpinger klar. Die Weltladen-Initiative unterstütze zudem politische Aktivitäten. Der brasilianische Bischof Dom Helder Camara sagte einst, „wenn ihr uns gerechte Preise zahlt, könnt ihr eure Almosen behalten“.

In Eppertshausen starteten sie mit dem Verkauf von fair gehandeltem Kaffee. Bald eröffneten sie ein Ladengeschäft, 1999 zogen sie in die Ortsmitte, zeigte Euler, seit 2009 empfangen die Mitstreiter ihre Kunden in einem modernen, hellen Raum.

Der Dachverband treibe eine gute Vernetzung und einen Austausch voran. Die einzige Vollzeit-Beraterin, Cristina Pflaum, versorge die Läden auch mit Info-Material und Werbung.

„Die Kundschaft in unseren Läden guckt sehr genau hin und ist gut informiert“, beobachtete der Sprecher. So wissen viele Einkäufer heute, dass etwa zwei Drittel des Preises für „fairen“ Kaffee an die Bauern fließt, in Gemeinschaftsprojekte, Versicherungen und Schulen sowie in die Genossenschaft der Erzeuger. Doch, „es ist nicht nur das Geld“, betonte Euler, „Fair Trade schafft Chancen für benachteiligte Produzenten, Transparenz und gibt Rechenschaft“.