21. Bildungsmesse zieht nicht nur Schüler an Rodgau: „Habt keinen Respekt vor großen Namen“

Im Zelt der Handwerksbetriebe zeigten die Anlagenmechaniker Fertigkeiten an der elektrischen Biegemaschine. Foto: pul

Rodgau (pul) – Die Berufsbildungsmesse öffnete zum 21. Mal ihre Pforten, 130 Aussteller bildeten den Grundstock für die Veranstaltung in Nieder-Roden. Hunderte Schüler und Erwachsene suchten auf dem Gelände der Heinrich-Böll-Schule Gespräche und Wissenswertes. Zielgruppe waren die Schulabgänger, aber auch die Weiterbildungsmöglichkeiten für Personen, die bereits im Berufsleben stehen, waren Gesprächsgegenstand. Im Vordergrund der Messe standen berufliche sowie private Aus-, Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten.

Das Handwerk suche händeringend nach Nachwuchs, berichtete Stephan Kunze, Obermeister der Dachdeckerinnung Offenbach. Mit dem Truck des Landesverbandes parkten die Handwerker direkt vor der Sporthalle. Mit Imagefilmen und jeder Menge Informationen gingen die Dachdecker auf Azubi-Fang. „Ein Praktikum ist dort jederzeit möglich“, erklärte Stephan Kunze. Voraussetzung für eine Ausbildung sind handwerkliche Fähigkeiten und Mathematikkenntnisse.

In diesem Jahr setzten die städtischen Veranstalter ihren Schwerpunkt auf den öffentlichen Dienst als Partner für Ausbildung. So übernahm Thomas Metz, Staatssekretär des Hessischen Ministeriums der Justiz, die Schirmherrschaft. Erster Stadtrat Michael Schüßler betonte die Werbung für Angebote im Bildungssektor der öffentlichen Hand. In der Sporthalle stellten sich Stadtverwaltung und Stadtwerke auf mit Kindertagesstätten und der Initiative „16plus“.

Im Werben um Auszubildende sind die modernen Medien längst angekommen. Auf dem Schulhof stand der Info-Truck der Metall- und Elektroindustrie von Hessen-Metall. Auf dem Touch-Table entstand die Übersicht eines virtuellen Betriebs. Einmal angeklickt, informierten animierte Figuren über die Inhalte der insgesamt 50 Ausbildungsberufe. Ein Stockwerk tiefer lösten Jugendliche an der elektro-pneumatischen-Station über ein Steuermodul Aufgaben, wie sie später im Beruf gestellt werden.

Nicht für jeden Beruf sind ein gymnasialer Abschluss und gute Noten notwendig. „Noten sind das eine“, ließ ein Handwerksmeister verlauten, „wir müssen aber auch die Schwächeren mitnehmen“. Umgangsformen, Pünktlichkeit und soziales Verhalten sind nach wie vor Kriterien mit höchster Priorität bei der Auswahl von Bewerbern.

Es geht nicht nur um Noten

Dass nicht überall Einser in den Zeugnissen gebraucht werden, machte auch die Fraport publik. Direkt neben dem dort installierten Flugsimulator gab Fraport-Personalentwickler Jonas Wiedemann wichtige Tipps für Bewerber. „Zeigen Sie Initiative in der Bewerbung, schreiben Sie uns, warum Sie zur Fraport wollen“. Ein Praktikum im Vorfeld der Bewerbung ist kein Muss, zeige aber ebenso Initiative und Interesse wie auch belegte Seminare und Freizeitbeschäftigungen, die mit dem angestrebten Beruf zu tun haben.

Für die etwa jährlich zu besetzenden 110 Stellen bei Fraport gehen 3000 bis 4000 Bewerbungen ein. Alles online, sagte ein Fraport-Azubi, schriftliche Bewerbungen werden nicht bearbeitet. Das Bewerberverfahren läuft von April bis Oktober für die Stellenbesetzungen im Jahr darauf. Teenager mit Mittlerer Reife oder Hauptschulabschluss sind bei der Fraport willkommen.

In der Sporthalle tummelten sich unzählige Interessierte zwischen den Ständen der Arbeitgeber. Neben den Feldjägern der Bundeswehr prangten auch die Logos von DAX und S-DAX notierten Unternehmen wie Continental und Biotest. „Habt keinen allzu großen Respekt vor den großen Namen der Unternehmen“, empfahl ein Personalchef den Jugendlichen, „probiert es aus, was kann euch passieren“.

Der zweite Schwerpunkt der Berufsbildungsmesse lag bei der Internationalität. Perspektive geben stand ganz weit oben auf der Prioritätenliste. Dabei ging es um die Menschen, die nach Deutschland kommen und Anschluss an das System suchen. „Wir wussten, dass es mit der Unterbringung nicht getan ist“, erklärte Erster Stadtrat Michael Schüßler. Nun gehe es um die Integration in den Arbeitsmarkt. So legte das Café International des städtischen Ausländerbeirats seinen Schwerpunkt auf die Bildungsmöglichkeiten der geflüchteten Neubürger und deren Integrationsmöglichkeiten in puncto Arbeit. Im Café International kamen Migranten zu Wort, die in Deutschland Fuß gefasst haben und nun mit ihrem beruflichen Erfolg als gutes Beispiel voran gehen.

Gerrit Kratz vom städtischen Messe-Organisationsteam betonte die große Nachfrage nach den Messeständen. Es gibt eine Liste mit Interessenten, die auf Plätze an einem der nächsten Termine warten.

Vom Organisationsteam kam auch der Hinweis an die Eltern, die Messe als Pflichtveranstaltung zu sehen. Die Eltern sind der wichtigste Berater für die Kinder, hieß es aus den Reihen der städtischen Organisatoren. So sei es notwendig, dass sich auch die Eltern über berufliche Möglichkeiten informierten.

„Bildung ohne Smartphone“ zeigten die Schul-Sozialarbeiter Rodgaus auf. Im Spielraum des Schulgebäudes gab es statt Bits und Bytes einige Rätsel zu lösen. Wissen zu vermitteln, ohne dabei den piepsenden Helfer aus der Jackentasche zu holen, stand im Mittelpunkt. Und so stellte sich die Frage: Klappte das Lesen eines Stadtplans noch, ohne dass die digitalisierte Stimme die Richtung vorgab?

Auch in diesem Jahr kooperierte die Berufsbildungsmesse mit der hessenweiten Strategie OloV, dem Netzwerk mit Qualität und Dynamik, das die Qualität der Prozesse im Übergang von der Schule zum Beruf sichern und Parallelstrukturen vermeiden will. So sollen Jugendliche den Einstieg in ihre berufliche Zukunft schaffen, ohne unnötige Umwege, Abbrüche und Warteschleifen.