Schauspielerisch großartig umgesetzt Dreieichenhainer GHV-Theater überzeugt

Das Volk blickt auf Quasimodo. Mit einem 30-köpfigen Ensemble stand die Theatergruppe des Geschichts- und Heimatvereins auf der Burgbühne. Foto: Gebhardt

Dreieich (sina) – Es ist ein Abbild menschlicher Abgründe, in denen Liebe und Freundschaft den Vorurteilen der Masse unterliegen: Die Theatergruppe des Geschichts- und Heimatvereins (GHV) Dreieichenhain brachte unter Regie von Tanja Garlt das bewegende Stück „Der Glöckner von Notre-Dame“ auf die Bühne im Burggarten.

 Zum Auftakt der drei Aufführungen lieferte das Ensemble am vergangenen Freitag eine gelungene Premierenvorstellung des anspruchsvollen Dramas ab.

Ihr Zigeunerdasein wird La Esmeralda (Leonie Löw) zum Fluch: Angetrieben von der Büßernonne Gudule (Petra Hunkel) kommt sie in Verruf, eine Hexe zu sein. Dennoch verliebt sich ausgerechnet der Erzdekan Frollo (Dieter Krebs) in sie und tötet aus Eifersucht Hauptmann Phöbus (Arno Fink), einen Frauenhelden, dem die Zigeunerin verfallen ist. Esmeralda wird für den Mord verantwortlich gemacht und soll gehängt werden, doch vor der Hinrichtung wird sie von dem verwachsenen Glöckner Quasimodo (Jannik Dreisbusch)gerettet. In Notre-Dame soll der unschuldigen Zigeunerin das Kirchenasyl Schutz bieten, doch die Kathedrale wird gestürmt und das Urteil vollzogen.

Das 30-köpfige Ensemble läuft zu stimmungsvoller Akkordeonmusik (Patrick Rachor) ein, die dezenten Kostüme weisen auf eine Gruppenzugehörigkeit hin, sodass die Soldaten sofort anhand der langen Ledermäntel zu erkennen sind, während die Diebe durch rot-weiße Gewänder auffallen. Die Ausgrenzung, die Esmeralda und Quasimodo erfahren, wird somit schon optisch versinnbildlicht, obgleich auch die Schikane sofort beginnt: Bei der beliebten Wahl des „Narrenpapstes“ wird der Glöckner vom Volk verspottet und vorführt („Endlich kommt die Hässlichkeit zu ihrem Recht!“) und wenn er für die vermeintliche Entführung Esmeraldas ausgepeitscht wird, ergötzen sich alle Umstehenden, während der am Boden Liegende bespuckt oder getreten wird.

Souverän bleiben alle Darsteller, egal ob Statist oder Sprechrolle, in ihren Figuren und verleihen dem Stück damit über die gesamte Vorstellung hinweg Authentizität. Dreisbusch glänzt dabei besonders in seiner wortkargen Rolle, nicht nur, wenn er im Zentrum des Geschehens ist: Als die Zigeunerin gefoltert wird, steht er oben auf der Treppe der Burgruine und beobachtet die Szene aus dem Hintergrund. Obwohl vermutlich alle Augen auf die gepeinigte Löw gerichtet sind, die mit einer unglaublichen Intensität herzzerreißende Schreie ausstößt, sieht man gleichzeitig im Gesicht des leidend auf und ab tigernden Quasimodos, welche Qualen ihm ihre Folter beschert.

So wird auch die gesamte Burgkulisse, die alleine als Bühnenbild fungiert, vollständig integriert. Und obgleich es kein glückliches Ende gibt, erfahren doch die Verantwortlichen am Tod der Zigeunerin ihre Strafe: Der Erzdekan, mit seinem Mord am Hauptmann für Esmeraldas Hinrichtung verantwortlich, wird von seinem Ziehsohn Quasimodo getötet und die von Hunkel überzeugend gespielte Büßernonne, die das Volk gegen Esmeralda aufgebracht hat („Verrecken soll sie, die Zigeunerin!“), muss am Ende erkennen, dass die Hingerichtete in Wirklichkeit ihr damals von Zigeunern entführtes Kind war.

Gelungen hat Tanja Garlt den „Glöckner“ für die GHV-Theatergruppe inszeniert und das Ensemble hat das Stück schauspielerisch wirklich großartig umgesetzt.

Einziger Wermutstropfen bei der Vorstellung: Der eher kurz andauernde Beifall nach der Premierenaufführung spiegelt die Leistung der Darsteller nicht angemessen wieder.