Capitol Symphonie Orchester: Berlin und New York auf der Spur Hits im Takt der Großstadt

Das Capitol Symphonie Orchester lieferte „Silhouetten der Metropolis“ im ausverkauften Musentempel. Bild: ackermann

Offenbach – Man nehme ein Crossover-erfahrenes Orchester, das sich konzertanten Neuheiten nicht verschließt. Samt einer Solistin, deren Stimme prädestiniert ist für freche Hits und tiefgründige Chansons. Samt eines Dirigenten, der natürliche Autorität und Kompetenz abstrahlt – und ein spannender Konzertabend ist programmiert. So geschehen bei der Classic Lounge mit dem Capitol Symphonie Orchester, das beim britischen Gastdirigenten Wayne Marshall förmlich aufzublühen scheint, der zudem die junge Solistin Sophia Euskirchen zu motivieren versteht.

„Silhouetten der Metropolis“ nennt der künstlerische Leiter Ralph Philipp Ziegler sein Programm, dessen Gespür für neue Konzertformate erstaunliche Erfolge zeitigt. Berlin und New York mit der Hit-Legende Marlene Dietrich und der schrillen Lady Gaga liefern den Großstadt-Sound zwischen Revue und musikalischer Avantgarde.

Ziegler, auch Offenbacher Kulturchef, ist ein Mann der großen kulturellen Zusammenhänge, die er beredsam von der roten Couch aus artikuliert und dabei Zeitläufte lebendig macht. Und mit der Ufaton-Fanfare eines gewissen Walter Borchert, von den Blechbläsern gestochen scharf intoniert, scheint sich im voll besetzten Capitol ein imaginärer Vorhang zu öffnen.

Zeit für Kurt Weill, dessen Kinderstück „Zaubernacht“, aus dem ein Quodlibet erklingt, 1927 im Theater am Kurfürstendamm uraufgeführt wurde, etliche Jahre vor seinem Welterfolg, der „Dreigroschenoper“. Geheimnisvolles Glockenspiel illustriert eine Märchenszenerie mit schwermütigem Marsch und rhythmisch packenden Begleitskalen. Schwungvoll absolviert wie das Fragment aus Fritz Langs Film „Metropolis“, das Hauskomponist Marco Jovic rekonstruiert hat.

Wie Filmschnitte wirken die schnellen Szenenwechsel bei dieser grellen Großstadt-Utopie. Und für ein „Ein Tag wie Gold“ aus der zeitgenössischen TV-Serie „Babylon Berlin“ legt sich die zierliche Vokalsolistin derart ins Zeug als flössen in ihren Adern tatsächlich „100 000 Volt“.

Losgelöst vom Gangsterfilm entwickelt „Once Upon A Time In America“ des unverkennbaren Ennio Morricone beim Capitol-Orchester sinfonische Qualitäten. Mit herrlichem Ton setzen die Holzbläser das „Prélude tragique“ des New Yorkers Leo Ornstein in Szene. Lady Gagas „Poker Face“ und „Bad Romance“ bescheinigt Capitol-Komponist Patrik Bishay Orchestertauglichkeit, der die elektronische Anmutung geschickt aufs Instrumentarium transferiert hat; für die Capitol-Sinfoniker spürbar eine Lustbarkeit.

Als fesche Lola „Von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“ (Arrangement: Marco Jovic) schlüpft Sophia Euskirchen erst gar nicht in die Rolle der großen Marlene Dietrich, sondern besinnt sich, leicht berlinernd, auf ihre eigene Chansonqualität. Das Klangporträt der Dietrich zeichnet Charles Koechlin in seiner „Seven Stars Symphony“, die Essenz der immergrünen Songs in eine ausdrucksvoll gespielte Elegie einbringend. Nach stimmigen Orchesterbearbeitungen von Friedrich Holländers „Ruins Of Berlin“ aus „A Foreign Affair“ dann Burt Bacharachs „Alfie“ und Leonard Cohens „Sisters Of Mercy“, arrangiert von Danny Jonokuchi, den Ziegler in New York kennengelernt hat und dessen feinfühlige romantische Adaption an Edward Elgars „Nimrod“ erinnert.

Wieder einmal als Bernstein-Spezialist erweist sich Dirigent Marshall im zündenden Finale. Nach den drei Sätzen aus dessen frühem New-York-Musical „On The Town“ herrscht uneingeschränkter Jubel.

Von Klaus Ackermann