Schirn zeigt in einer Retrospektive Lyonel Feininger Fasziniert von Architektur

Sebastian Baden und Ingrid Pfeiffer präsentieren die Ausstellung „Lyonel Feininger Retrospektive“ in der Schirn. Bild: Faure

Altstadt (jf) – Feininger? In der Schirn? Passt das? Ein mehrfaches Ja. „Man kann bei Lyonel Feininger Facetten neu entdecken“, unterstrich Sebastian Baden, Direktor der Kunsthalle. Lyonel Feininger, der Karikaturist, Kubist, Expressionist, Grafiker, Bauhaus-Dozent, Fotograf, dessen Kunst 1937 als „entartet“ diffamiert wurde, der mit seiner jüdischen Frau 1937 ins US-amerikanische Exil floh. Nach fast 50 Jahren.

Feininger, 1871 in New York geboren, kam als 16-Jähriger mit den Eltern nach Deutschland, um in Leipzig Musik zu studieren. Sein Vater war Geiger, seine Mutter Sängerin. Aber Lyonel Feininger entschied sich anders und nahm Zeichenunterricht an der Allgemeinen Gewerbeschule in Hamburg, wechselte dann an die Hochschule für die bildenden Künste nach Berlin. 1889 erhielt er in der Zeitungsstadt an der Spree erste Aufträge für Karikaturen. Er veröffentlichte rund 2000 Zeichnungen. „Den karikierenden Blick behält er zeitlebens“, stellte Kuratorin Ingrid Pfeiffer fest. Mit dem Auftragsleben war Feininger allerdings unzufrieden, suchte nach etwas Neuem. 1905 lernte er Julia Berg kennen. „Beide waren gebunden, aber es musste wie ein Blitzeinschlag gewesen sein. Sie trennten sich von ihren Ehepartnern und gingen gemeinsame Wege“, erklärte Ingrid Pfeiffer. 1906 entstanden die ersten Bilder des Ortes Gelmeroda, die Kirche wurde für ihn zu einem Leitmotiv. „Wir können fünf von zehn Gemälden der Serie Gelmeroda zeigen, das ist wohl einmalig“, berichtete Pfeiffer stolz. „Als wir auspackten, haben uns die Bilder angeschaut, sie waren wie eigene Wesen. Keine Abbilder, sondern Visionen.“

1912/13 entwarf Feininger Spielzeug, Lokomotiven und Waggons aus Hartholz. Die erste Einzelausstellung zeigte Herwarth Walden in seiner Galerie „Der Sturm“ in Berlin 1917. Die Schau wurde für Feininger zum Durchbruch. Vier Jahre später holte ihn Walter Gropius ans Bauhaus nach Weimar, Feininger wurde Direktor der Grafischen Werkstatt. Das Bauhaus zog nach Dessau, mit ihm die inzwischen fünfköpfige Familie Feininger. Ab 1928 beschäftigte sich der Künstler mit Fotografie, experimentierte, fand Interesse an dieser Technik. Zwischen 1929 und 1931 entstanden elf Bilder von Halle. Feininger hatte ein Atelier im Turmzimmer der Moritzburg.

Das Bauhaus wurde 1932 geschlossen, die Feiningers zogen zu Freunden, suchten eine neue Bleibe. 1937 endete für sie das Kapitel Deutschland. Doch ein Neuanfang in New York war nicht so einfach. Die Hochhäuser des Big Apple faszinierten den Künstler genauso, wie es die Architektur des alten Europa getan hatte. Neue Gemälde entstanden, außerdem Diaserien. „Im Nachlass wurden 20.000 Foto-Objekte wiederentdeckt. Das ist ein großer Schatz“, sagte Pfeiffer.

In der Ausstellung, die bis zum 18. Februar 2024 zu sehen ist, werden 160 Gemälde, Zeichnungen, Karikaturen, Aquarelle, Holzschnitte, Fotografien und Objekte gezeigt. Ein Begleitprogramm mit Expertenführungen, Lesungen, Kinderkunstnacht und weiteren Veranstaltungen umrahmt die Exposition, auf die man sich mit dem Digitorial auf feininger.schirn.de vorbereiten kann.