Die Nutrias an der Gründau sind nicht nur possierlich Entertainer und Randalierer

Ein Nutria am Ufer der Gründau. Bild: Hartwig Bremer (PM)

Langenselbold – Als eher ängstliche Wesen hat sie Hartwig Bremer jetzt am Ufer der Gründau erlebt. Zwar seien die Nutrias etwa drei Meter an ihn herangekommen. Doch schon das Zetern einer in der Nähe sitzenden Ente habe sie in die Flucht geschlagen, berichtet der HA-Leser von seiner letzten Begegnung mit den Tieren. „Sie sind dann blitzschnell in die Gründau gehüpft und abgetaucht.“ Vorher hat Bremer aber noch ein paar Bilder gemacht, die er der Redaktion zukommen ließ.

Die offenbar friedlichen Tiere können aber auch anders, weiß Matthias Wissel, der Biologe der Stadt Langenselbold. Besonders in der Brut- und Setzzeit, wenn die haarigen Vierbeiner sich in der Pflicht sehen, ihre Jungtiere zu verteidigen, zeigen sich die Nutrias in den Fluss- auen auch schon einmal von ihrer aggressiven Seite. „Da sollte man vor allem auf seine Hunde aufpassen“, weiß Wissel aus Erfahrung.

Und auch sonst sind die Nutrias nicht so possierlich wie sie den unbedarften Beobachtern an der Gründau erscheinen mögen. Bei der Biberratte, die oftmals mit einem Biber verwechselt wird, handelt es sich nämlich um eine sogenannte invasive Art. Als „invasiv“ bezeichnen Experten jene nicht einheimischen Lebewesen, die sich an neuen Orten „etabliert“ haben, also dort etwa Nachwuchs bekommen, die sich ausbreiten und Schaden in der Natur oder für Menschen anrichten.

Das Nutria (über den richtigen Artikel ist man sich uneinig) gehört laut dem Frankfurter Senckenberg Biodiversität- und Klima-Forschungszentrum zu den insgesamt etwa 2600 gebietsfremden Arten und zudem den 90 Spezies, die auch vom Bundesamt für Naturschutz (BFN) als „invasiv“ eingestuft werden. Damit befindet sich das Nutria übrigens in bester Gesellschaft mit Waschbären sowie Bisam- und Wanderratten.

Als gefährlich gelten die Nutrias vor allem für Pflanzen an Ufern und unter Wasser, wo sie ganze Lebensräume durch Fraß zerstören können. Und auch für Uferbefestigungen können sie zur Gefahr werden, weil Nutrias diese mit ihren Röhrenbauten unterhöhlen und damit gleichzeitig destabilisieren. „All das wissen wir“, sagt Matthias Wissel. Aber machen könne man gegen das Nutria so gut wie nichts. Die Tiere dürften in städtischem Gebiet nicht bejagt werden. Und auch Fangen sei keine wirkliche Alternative, sagt Wissel. Denn dann stelle sich die Frage: Wohin mit den Tieren? In Nordrhein-Westfalen werden Nutrias indes bejagt. Dort ist dies mit einem entsprechenden Erlass geregelt. Allein im Jahr 2021/2022 wurden dort knapp 30 000 Tiere geschossen. Nutrias stammen eigentlich aus Südamerika. Der Pflanzenfresser, dessen Fleisch schmackhaft sein soll, entkam im 19. Jahrhundert aus europäischen Pelzfarmen. In den 40er und 50er Jahren habe es auch in Langenselbold Fänger gegeben, die das Fell der Tiere vermarktet hätten. Damit war aber irgendwann Schluss, berichtet Matthias Wissel. Und somit wird das Nutria an der Gründau über Wasser weiterhin Spaziergänger bespaßen und unter Wasser Randale betreiben.
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