HBS-Rektorin Christine Georg leitet die Einrichtung kommissarisch Chefin auf Zeit an der Kästner-Schule

Christine Georg setzt auf Teamarbeit: Mit ihrem Stellvertreter in Bruchköbel, Markus Kunkel, hat sie schon in Fechenheim zusammengearbeitet. Bild: Holger Weber-Stoppacher

Bruchköbel/Maintal – Die Erich-Kästner-Schule in Maintal wird vom neuen Schuljahr an von Christine Georg geleitet, der Schulleiterin der Heinrich-Böll-Schule (HBS) in Bruchköbel. Sie wird die Schulleiterin Bärbel Nocke-Olliger bis zum Ende des Schulhalbjahres vertreten.

Wenn Stimmen aus der Wirtschaft eine praxisnähere Ausbildung in den Schulen fordern, dann stoßen sie bei Christine Georg auf offene Ohren. Ihre To-do-Liste ist in Bruchköbel gefüllt mit Projekten, die den Schülern dabei helfen sollen, sich eines Tages in der Berufswelt zurechtzufinden. In Maintal hingegen wird sie zunächst nur als Ansprechpartnerin für das Kollegium da sein. Auch wolle sie dafür sorgen, dass sich die im Aufbau befindlichen neuen Naturwissenschaftsräume bis zum Ende des Halbjahres fertiggestellt werden.

In der Ausbildung setzt Georg vor allem auf einen sehr praxisbezogenen Unterricht. „Ich liebe das Fach Arbeitslehre“, sagt die 46-Jährige und zählt gleich einige Projekte auf, die sie nach den Ferien in Bruchköbel umsetzen möchte. Wahlpflichtfächer sollen demnach nicht nur die klassischen Inhalte wie beispielsweise Fremdsprachen haben, sondern auch in den Werkstätten stattfinden, etwa für Holz und Metall, im hauseigenen Garten sowie in der Schulküche. Ganz neu eingerichtet wurde an „der Böll“ ein Makerspace mit Lego-Mindstorm-Technik und Robotik.

„Wir wollen die neuen Techniken relativ früh an die Kinder herantragen“, sagt sie. Viel verspricht sich Georg auch von einem Pilotprojekt in den siebten Klassen, die im kommenden Schuljahr komplett mit Tablets ausgestattet werden. Dafür hat der Main-Kinzig-Kreis als Schulträger jetzt das notwendige Mobiliar bereitgestellt.

Georg ist Mitglied im Arbeitskreis Schule/Wirtschaft und möchte diese Verbindung zwischen den heimischen Unternehmen und ihrer Schule in den kommenden Jahren weiter ausbauen. Es reicht ihrer Ansicht nach nicht, dass die Schüler im Rahmen von Praktika in die Unternehmen gingen. Sie möchte, dass die Firmen in der Schule Präsenz zeigen und auch bei der Gestaltung des Unterrichts unterstützend tätig sind.

Projektarbeit spielt für sie eine wichtige Rolle. Im kommenden Schuljahr sollen die Schüler mit Unterstützung heimischer Unternehmen den Schulgarten wieder auf Vordermann bringen. „Darauf freue ich mich heute schon. Solche Erfolgserlebnisse sind eben wichtig für die Schüler. Das schafft Selbstvertrauen“, sagt sie.

Ganz wichtig ist ihr die Botschaft, dass nicht alle Schüler Abitur machen müssen. „Man kann auch mit einem Handwerksberuf Geld verdienen und vielleicht ein glücklicheres Leben führen als mit einem abgeschlossenen Studium.“

Dass Georg so viel Wert auf Nähe zur Berufswelt legt, hat auch mit ihrer eigenen Biografie zu tun. Neben Schule und Studium arbeitete sie bereits in der Rechtsanwaltskanzlei ihres Onkels, zeigte Besuchern als Stadtführerin ihre Heimatstadt Dillenburg und war vom 16. Lebensjahr an bis zum Ende ihres Studiums in einer Kunststofffabrik beschäftigt. Dreischichtbetrieb und Akkordarbeit kennt Christine Georg deshalb nicht nur aus der Theorie. „Ich habe damals Tüllen in Audi-Türen eingedreht“, berichtet sie. Die Erfahrung möchte sie nicht missen. Es sei eine für sie prägende Zeit gewesen: „Mir ist da bewusst geworden, wie viele Frauen, die mit mir am Band standen, keine Berufsausbildung oder diese abgebrochen hatten. Da habe ich mir gesagt: Ich will den Mädchen später eine Perspektive geben und sagen: Ihr braucht einen ordentlichen Job, seid eigenständig und besorgt euch eine gute Qualifikation.“ Das war für Georg auch der Grund, warum sie sie sich für das Fach Arbeitslehre als Schwerpunkt ihres Studiums entschied.

Bevor sie im vergangenen Jahr an der Heinrich-Böll-Schule die Nachfolge von Ernst Münz übernahm, leitete Georg zehn Jahre eine Brennpunktschule in Fechenheim, in der ausnahmslos alle Schüler einen Migrationshintergrund besaßen und 95 Prozent der Eltern Hartz-IV bezogen. Projekte wie in Bruchköbel, wo sie mit Schülern und deren engagierten Eltern Sitzbänke baut, seien in Fechenheim nicht möglich gewesen. Dort ging es um Grundsätzliches – etwa die Sorge darum, dass die Kinder im Winter mit ausreichend warmer Kleidung in die Schule kamen. Für Georg bekamen die Begriffe Bildungsferne und Parallelgesellschaften tagtäglich einen realen Bezug. „So etwas macht etwas mit einem. 20 weitere Jahre hätte ich das nicht durchgestanden“, sagt sie. In Bruchköbel und auch in Maintal weiß sie die Vorteile ländlicher Strukturen und die Unterstützung der Vereine zu schätzen, die sie noch mehr einbinden will in den Schulalltag.

Die Schulleiterin betont auch die lebensvorbereitende Funktion der Schule: „Bei uns soll niemand gehen, ohne dass er weiß, wie man eine Überweisung für die Bank ausfüllt oder eine Haftpflichtversicherung abschließt.“

Die Gesamtschule betrachtet Georg völlig ideologiefrei als ein ideales Umfeld, weil sich dort Schüler mit verschiedenen Begabungen mischen: solche mit kognitiven und andere mit eher handwerklichen Fähigkeiten. Weil die Kinder nicht nur miteinander, sondern auch voneinander lernten, habe diese Schulform einen besonderen Stellenwert. Debatten über Schulformen, wie sie auch im Zusammenhang mit der Heinrich-Böll-Schule immer wieder geführt wurden, findet Georg „ganz schwierig“. Für jedes Kind müsse es das passende Angebot geben. In der Gesamtschule würden die Kinder in ihren Stärken gefordert und in den schwachen Fächern gefördert. Das System funktioniere im Zusammenspiel mit den Grundschulen in Bruchköbel und dem Lichtenberg-Oberstufen-Gymnasium „fantastisch“. Man müsse nur noch daran arbeiten, dass genügend Schulplätze da seien und die Gebäude noch attraktiver würden, sagt sie. Ein Drittel der Schule ist bereits saniert worden, zwei Drittel stünden noch aus. Eines ihrer wichtigsten Ziele ist der Aufbau einer Schulbibliothek, in der die Kinder in die Welt der Bücher und ihre systematische Aufbewahrung eingeführt werden sollen. „Ich möchte den Kindern zeigen, dass das Medium Buch auch in einer digitalen Welt noch seine Berechtigung hat.“

Das neue Schuljahr, das am kommenden Montag beginnt, geht sie trotz Doppelbelastung durch die kurzfristige Übernahme der Schulleitung in Maintal entspannt an, auch weil das Feld in Bruchköbel bestellt sei. Das Lehrerteam in Bruchköbel sei komplett, sagt Georg und fügt stolz hinzu: „Wir haben dort nur Lehrer mit einer pädagogischen Ausbildung.“ Auch dank ihres Netzwerks, was sie sich in den vergangenen Jahren geschaffen habe, sei es ihr gelungen, in Bruchköbel ein gutes Team zusammenzustellen. Dazu gehört auch ihr Stellvertreter Markus Kunkel, mit dem Georg in Fechenheim zusammengearbeitet hat und der sie in ihrer Doppelfunktion unterstützen wird.

Von H. Weber-stoppacher