Nur finanzstarker Investor kann Basketball-Drittligist White Wings retten Schuldzuweisungen an die Spitze

Ungewisse Zukunft: Die White Wings um Bubba Furlong, Sebastian Brach, Tim Martinez, Marko Dordevic und Philip Hecker (von links) sind Tabellenzweiter der Division Pro B Süd. Nun drohen sie ausgebremst zu werden. Bild: scheiber

Hanau – „Hanau bebt“ - mit diesem Slogan warben die Basketballer der Hanau White Wings einst für ihre Heimspiele. Für spektakuläre Auftritte vor stimmungsvoller Kulisse. Doch die Gegenwart zeichnet ein ganz anderes, ein düsteres Bild. Von einem Donnerschlag, der kräftig nachhallt und dessen Dimensionen noch nicht greifbar sind. Verbunden mit schweren Vorwürfen, undurchsichtigen Vorgängen und Verdruss bei allen Beteiligten.

Denn während die Mannschaft trotz der Entwicklungen das Training aufnahm, haben die Verantwortlichen des Drittligisten beim Amtsgericht Hanau einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt. Hintergrund ist die fehlende finanzielle Deckung bis Saisonende.

Laut Gesellschafter Axel Ebbecke, seit November auch als ehrenamtlicher Geschäftsführer im Amt, geht es um 140 000 Euro. Bei einem Budget von 400 000 Euro. Wie es das Prozedere vorsieht, wird nun nach sorgfältiger Prüfung ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt. „Bis ein Insolvenzverfahren dann tatsächlich eröffnet wird, kann es aber Wochen oder Monate dauern“, teilte die für Presseanfragen zuständige Richterin Renate Pfeifer mit.

Zeit, die den White Wings bleibt, um „alles transparent und lückenlos darzulegen“, wie Ebbecke betont. Zeit aber auch, um einen finanzkräftigen Unterstützer zu finden, der die klaffende Lücke schließt. Ebbecke bringt es auf eine einfache Formel: „Wenn wir in den nächsten drei Monaten einen Investor finden, ist eine Rettung möglich, wenn nicht, ist in drei Monaten Schluss.“

Es wäre eine tragische Zäsur für die vor zehn Jahren gegründete White Wings Basketball GmbH und vor allem für die Spieler, die eine historisch starke Saison hinlegen und nun womöglich ausgebremst werden. „Die Situation ist sehr schwierig. Wir sind alle sehr enttäuscht und auch etwas sauer, weil wir uns für unsere harte Arbeit nicht belohnen können. Wir versuchen aber weiter, zusammenzustehen“, sagt White-Wings-Kapitän Philip Hecker.

Die Ungewissheit nage an den Spielern, die aber ihrer Tätigkeit weiter nachgehen werden. „Wir wollen einfach einen schönen Abschluss haben, für uns persönlich. Außerdem ist der Umgang mit unseren Gehältern ja auch noch offen“, betont Hecker.

Auch dieses Thema wird nun im Verfahren zu klären sein. Über allem steht jedoch weiter die Frage, wie es überhaupt zu der finanziellen Schieflage kommen konnte? Eine Frage, die bei den aufgebrachten Anhängern Unverständnis und Fassungslosigkeit auslöst und gleichermaßen zu Schuldzuweisungen in der Führungsetage und im Umfeld des Klubs führt.

Ebbecke hielt auf Anfrage daran fest, dass das Management seines Vorgängers Sebastian Lübeck eine „Katastrophe“ gewesen sei. „Es wurden Sponsoren verärgert, dubiose Darlehen gegeben und Zuwendungen von Sponsoren vorgezogen, um die Bilanz zu verbessern. Es gab auch weder eine Budget- noch eine Liquiditätsplanung“, lauten die Vorwürfe des Geschäftsführers. Daraufhin hätten sich Partner zurückgezogen, wodurch das Defizit angewachsen sei.

Nur mit der Hilfe ehrenamtlicher Berater wie Jens Gottwald und Kevin Crichton sei es gelungen, sich einen Überblick zu verschaffen. Dass sich dieser Vorgang seit dem Rücktritt Lübecks Ende Oktober 2022 bis jetzt hingezogen habe, sieht Ebbecke in der fehlenden Transparenz begründet. „Die Daten wurde alle gelöscht, die Zahlen haben sich quasi in Luft aufgelöst“, versichert Ebbecke.

Schwere Vorwürfe, auf die Lübeck nicht näher eingehen will, aber an seiner Stellungnahme festhält. „Ich kann nur nochmal wiederholen, dass alle Unterlagen ordnungsgemäß übergeben wurde“, betont der frühere Geschäftsführer, der mittlerweile wie Gottwald und Crichton als Spielerberater tätig ist. Beanstandungen habe es seinerzeit nicht gegeben.

Ähnliche Töne sind aus dem Sponsorenkreis der White Wings zu vernehmen. Wie ein Vertreter, der anonym bleiben will, erklärt, sei das von Ebbecke gezeichnete Bild vom „Chaos-Club“ auch auf die aktuelle Geschäftsführung zurückzuführen. „Da gibt es auch Ungereimtheiten der handelnden Personen, was den einen oder anderen Sponsoren dazu veranlasst hat, sich zurückzuziehen.“

Inmitten der Streitigkeiten und Schuldzuweisungen, die wahrlich kein gutes Licht auf die Beteiligten werfen, gilt es nun die Perspektive des Klubs zu klären. Dass dieser eine Zukunft hat, kann sich Ebbecke trotz der erfolglosen Gespräche mit der Stadt und Sparkasse vorstellen. „Wir müssen jetzt den Reset-Knopf drücken“, fordert er. Mit einem Investor („Bereitschaft ist da“) und dem Abschluss des Insolvenzverfahrens, das laut Statuten für eine Spiellizenz in der nächsten Saison unabdingbar ist, biete sich neue Chancen. Vielleicht sogar in der Pro A? „Auch das wäre denkbar, dafür bräuchten wir aber einen Etat von 1,2 bis 1,5 Millionen Euro“, meint Ebbecke. Bis dahin ist es noch ein weiter Weg.

Von Jörn Polzin