Bei um die 30 Grad stoßen auch die Kostümbildnerinnen an ihre Grenzen Schwitzen unter Plüsch und Plastik

Zum Schnattern ist Adelheid, Sophie Göbel, nach der Vorstellung von „Hase und Igel“ nicht mehr. Aber lachen kann sie noch. Bild: -

Hanau – Wenn es dem Dachs zu heiß wird, verzieht er sich in seinen Bau. Der Feldhase drückt sich in seine Erdkuhle, die Gans verzieht sich in den Schatten. Von solchen Möglichkeiten können der Igel Thaddäus Krummbein, der Hase Konrad Lampe oder der Dachs Grimbart im Stück „Hase und Igel“ nur träumen. Auch bei „Hans im Glück“ spielen Schwein, Pferd, Kuh oder Gans lieber bei kühleren Temperaturen.

Wenn es bei den Brüder-Grimm-Festspielen im Amphitheater richtig heiß wird, kommen die Tierdarsteller kräftig ins Schwitzen. Während das Publikum in leichter, ärmelloser Kleidung aufläuft, müssen die Schauspielerinnen und Schauspieler Wolle auf dem Kopf, Leder, Fell oder Schaumstoffpolster am Körper tragen.

An einem Sonntagnachmittag bei der Familienvorstellung um 14 Uhr sind es 30 Grad. Unterm weißen Zeltdach steht die Luft, nur hin und wieder sorgt ein Lüftchen für etwas Abkühlung – wohlgemerkt in den voll besetzten Zuschauerreihen. Dachs, Schnecke, Maus oder Fuchs spüren davon nichts.

Sie werfen allenfalls sehnsüchtige Blicke ins Publikum, das sich mit den Eintrittskarten oder den Sitzkissen Luft zufächelt. Die Tiere im idyllischen Fantasieort Wiesental, in das die heute aufgeführte Geschichte um das abenteuerliche Wettrennen zwischen Langohr und Stacheltier von Autor Jan Radermacher verlegt wurde, sind gut verpackt. Anstatt sich auf der Bühne im Liegestuhl zu aalen, hechten sie hintereinander her, messen sich im Dauerlauf (Hase und Igel) oder sprinten in stakkatoartigen Tippelschritten die Treppenstufen nach oben.

Die Kröte Gloria Grün, alias Victoria Grace Findley, hat es besonders hart getroffen. Sie trägt eine grüne Anglerhose aus Gummi und schwitzt, was das Zeug hält. „Da läuft der Schweiß in die Stiefel, und die Ärmste wechselt während der Vorstellung drei Mal die Unterwäsche“, verrät ein Teammitglied. Kein Wunder, dass die Kröte nach der vielbeklatschten Vorstellung gleich in der Umkleide verschwindet und sich die Klamotten vom Leib reißt.

Auch Grimbart der Dachs, Detlev Nyga, muss leiden in seinem dicken gestreiften Bademantel über den langen Unterhosen und den Wollsocken in den Filzpantoffeln. „Vier Liter“, ruft er nach der Vorstellung, als die Frage nach Abkühlung aufkommt.

Nicht viel besser ergeht es Mo Buddler, dem Maulwurf. Benedikt Selzner, langärmliger Wollpulli, lange Lederhose, Stiefel und ein Helm, dampft, als er von der Bühne kommt. In der Höhle, in die sich die Tiere zurückziehen – und wo die Darsteller auf ihren Einsatz warten – ist es noch ein paar Grad heißer als auf der Bühne.

„Der Klimawandel ist auch bei uns angekommen“, sagt Kostümbildnerin Kerstin Laackmann. Es werde mittlerweile viel früher heiß als in früheren Jahren. Zwar bemühe sich ihr Team, bei der Auswahl der Materialien für die Kostüme, die Hitze zu berücksichtigen und wählte wenn möglich Baumwolle oder möglichst leichte Polster aus. Doch gerade bei den Tieren sei nicht alles verzichtbar.

„Die Schauspieler sind sehr tapfer“, lobt sie. Bei der Anglerhose gab es zunächst Bedenken, ob man Victoria Grace Findley dieses Kostüm bei der Hitze zumuten könne. „Sie hat signalisiert, dass sie sich das zutraut. Aber sie hat schon zu kämpfen“, sagt Laackmann. Bei den Wattons oder fat suits, die die Gans Adelheid Schnatter, die Igelin Clementine oder Kowalski die Schnecke auspolstern – oder eben auch Gans, Pferd, Krähe, Schwein und Kuh in „Hans im Glück“ – sind die Stoffe zwar hautfreundlich. Aber die mit Kunststoffgranulat gefüllten Wattons liegen eng an und sind schon deshalb sehr warm. Das ganze Schneiderei-Team steht deshalb während der Vorstellungen backstage parat, um das Ensemble zu betreuen. Was bei „Hans im Glück“ angesichts zahlreicher schneller Kostümwechsel – hier haben die Darsteller, die zwei oder drei Rollen spielen, mehrere Kostüme übereinander – besonders wichtig ist. „Wir haben Ventilatoren, viel zu trinken und Bottiche mit kaltem Wasser, damit sich die Darsteller erfrischen können.“ Wenn die Sommer noch heißer würden, müsse man darüber nachdenken, wie man besser mit der Hitze klarkommen kann. Da bleibt als Erkenntnis ein Satz, den der Igel Thaddäus Krummbein dem Hasen zuruft, als er ihn umarmt: „Manchmal tut das Leben eben weh!“

Publikumspreis

Der HANAUER ANZEIGER sucht auch in diesem Jahr wieder den beliebtesten Darsteller der Saison, dem wir gemeinsam mit den Brüder-Grimm-Festspielen den Publikumspreis verleihen wollen. Stimmen Sie bis zum 24. Juli, 24 Uhr ab unter www.hanauer.de/publikumspreis.

Von Jutta Degen-peters

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