Beim Frühjahrsputz in der Kreisstadt sammeln 198 Helfer 30 Kubikmeter Müll Allen Schmutzfinken ein schlechtes Gewissen bereiten

Die MINT-Klasse der Ernst-Reuter Schule widmete sich dem Gelände rund um die Bildungseinrichtung. Foto: Schmedemann

Dietzenbach (zls) – Wachgeküsst von den Sonnenstrahlen werden allmählich Knospen an Bäumen und Büschen sichtbar, der Schmutz an der heimischen Fensterscheibe ebenso. Höchste Zeit also für einen Frühjahrsputz – und den gleich in der ganzen Stadt.

Als Teil der landesweiten Säuberungsaktion waren insgesamt 198 Helfer auf den Beinen, um die Kreisstadt auf Vordermann zu bringen. Schon früh morgens haben sich die Gruppen bei den Städtischen Betrieben mit Müllzangen, gelben Handschuhen und einer Menge blauer Säcke ausgestattet, um bis zum Mittag von Kaffeebechern über halb gefüllte Chipstüten bis hin zu nagelneuen Turnschuhen allerlei Unrat aufzulesen. Eine Schneise der Verwüstung erkennt Jutta Ludolph am und um den alten Bahnhof: „Man sieht, wo die Leute entlanglaufen, weil der Weg von allen möglichen Plastikverpackungen gesäumt ist.“

Zwar stehen auf dem Abschnitt zur Bahn einige Mülleimer, doch werden diese in der Eile einfach ignoriert.

Eine ähnliche Erfahrung macht die 6cG der Ernst-Reuter-Schule (ERS). Im Klassenverband haben sich die Jugendlichen zusammen mit ihrem Lehrer Michael Fliegner dazu entschlossen, das Gebiet rund um die Schule zu säubern. „Wir sind die MINT-Klasse, also liegt es irgendwie nahe, dass wir uns um die Umwelt kümmern“, begründet der Pädagoge. „Wir kennen die Ausrüstung schon, weil wir manchmal den Schulhof sauber machen“, erläutert der Sechstklässler Leon. Mit seinem Klassenkameraden Leo ist er entlang der Rodgaustraße unterwegs.

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Das mit der Zange war uns irgendwann zu schwer, mit den Händen geht es viel schneller“, meint der Junge und bückt sich wieder nach einem Schokoriegelpapier.

Am Treffpunkt vor dem Bildungshaus erzählen sich die Schüler euphorisch, was sie unterwegs alles gefunden haben. „Da war eine Box mit asiatischen Nudeln, die jemand nicht aufgegessen hat“, sagt ein Sechstklässler empört. Weitere Fundstücke der Schüler sind ein Autokennzeichen, eine Matratze und ein Sitzsack. „Es gibt eigentlich keinen Quadratmeter ohne Müll“, stellt Fliegner fest. Spaß gemacht hat es trotzdem, da ist sich die 6cG einig. „Jetzt bekommen wir einmal Nachmittagsunterricht frei“, weiß Leon und grinst.

Im Westend sieht es da schon etwas besser aus. Als Doreen Schäfer aus ihrem Küchenfenster blickt, sieht sie einige Helfer mit Müllsäcken. Zwar hat sie die offizielle Anmeldung verpasst, doch entschließt sich kurzerhand dazu, mit ihren Söhnen Mike und Sky sowie dem Familien- und Abfallspürhund Ole loszuziehen. „Ich finde die Aktion großartig, man ist einfach ein Vorbild für jeden, der etwas auf der Straße fallen lässt“, sagt Schäfer. Besonders liegt ihr der Bolzplatz in der Nordweststraße am Herzen. Die Familie findet dort glücklicherweise nicht allzu viel. „Das sah hier schon schlimmer aus, die Aktion scheint zu wirken“, meint die Mutter.

Dass der Bürgersinn sich allmählich wandelt, berichtet auch Erster Stadtrat Dieter Lang beim gemeinsamen Mittagessen im Bildungshaus. „Insgesamt wurden heute 30 Kubikmeter Müll gesammelt, darunter zwei Rasenmäher und 50 Autoreifen“, sagt Lang. Seit 18 Jahren wird die Stadt im Frühling gesäubert, der Herbstputz wird dieses Jahr zum dritten Mal stattfinden. „Es zeigt zwar Wirkung, doch gegen die steigende Zahl an Einwegverpackungen kommen wir einfach nicht an“, meint Markus Krallinger, Abteilungsleiter für Abfallwirtschaft.

In einer geselligen Runde lassen sich die Helfer nach getaner Arbeit Kartoffelsuppe mit Würstchen schmecken. Als Dankeschön erhalten sie außerdem eine Packung BioMüllbeutel, in der sich ein Gutschein für eine Tageskarte fürs Schwimmbad versteckt. „Wie cool“, tönt es vom Tisch der 6cG.