Bereits im Jahr 2016 beschlossen die Stadtverordneten, an der Reis-Straße einen neuen Bebauungsplan aufzustellen, jetzt müssen sie die ausgearbeiteten Vorschläge des Fachamtes billigen. „Das Gebiet hat sich anders entwickelt, wir haben daher die Notwendigkeit einer Überprüfung gesehen“, sagte Ursula Becking-Noller, Abteilungsleiterin Stadtplanung. Bürgermeister Dieter Lang (SPD) betonte: „Es soll sich dort in Zukunft keine Industrie ansiedeln.“ Außerdem solle sich die Straße „grüner entwickeln“. An der Philipp-Reis-Straße residiert Gewerbe wie Trockenbau, ein Fotostudio, Heizungs- und Sanitärbau, Catering und Elektroinstallation. Genehmigt sind seit Langem auch zugehörige Betriebswohnungen. Für die Änderung des Bebauungsplans hat die Verwaltung geprüft, ob künftig ein Gewerbegebiet oder ein Mischgebiet mit Wohnraum definiert werden soll. Letztendlich ist man zu dem Schluss gekommen, ein Areal nur für Gewerbe zu entwickeln. Wie die Abteilungsleiterin im Ausschuss mitteilt, habe vor allem ein schalltechnisches Gutachten zu dem Ergebnis geführt. „Es hat gezeigt, dass die Schallgrenzen überschritten sind.“ Wohnen und Gewerbe seien dort nicht verträglich. „Es geht aber auch darum, das Gewerbe so zu schützen, dass das Wohnen nicht überhand nimmt“, so Becking-Noller.
Das hat Auswirkungen auf den Wohnraum: Nach Aussagen im Ausschuss haben bestehende und mit Ausnahmeregelung genehmigte Wohnungen Bestandsschutz. Ändert sich jedoch der Nutzungszweck des Gewerbes, geht also jemand der Geschäftsinhaber in den Ruhestand oder hört aus anderen Gründen auf, kann das Recht auf Wohnen wegfallen. „Neue Betriebswohnungen sind dann ja wohl nicht mehr möglich“, stellt Karoline Gieseler (CDU) fest. In der Bauausschusssitzung äußern sich auch einige der anliegenden Gewerbetreibenden, die von den künftigen Änderungen betroffen sein könnten. So moniert etwa Familie Bothe, die seit vielen Jahren ein Gewerbegrundstück in der Philipp-Reis-Straße betreibt: „Niemand hat mit uns Anliegern gesprochen.“ Auch das Schallgutachten sei kein Thema gewesen. Vieles sei unverständlich, vor allem in den Nachtstunden sei in dem Gebiet „nichts los“. Auf Nachfrage äußert Oliver Bothe Verständnis für die Überprüfungen der Stadt. „Natürlich darf das Gewerbe nicht verdrängt werden und die Stadt muss die Entwicklung beobachten.“ Die angesiedelten Betriebe seien aber „mit viel Liebe und Arbeit“ über Jahre aufgebaut worden und es sei ein sicheres und sauberes Umfeld entstanden. Am wichtigsten sei es nun, genau zu definieren, was „Bestandsschutz“ für die Wohnungen bedeute. „Das ist ziemlich schwammig, schlimmstenfalls bleibt alles leer stehen oder die Immobilien werden verramscht.“ Angesichts der derzeitigen Wohnungsnot sei das verwunderlich.
Eine Empfehlung für die Abstimmung in der Stadtverordnetensitzung geben die Bauausschussmitglieder nicht ab, vereinbaren allerdings einen Ortstermin.
Von Barbara Scholze