Autor Tom Belz liest in der Montessori-Schule aus seinem Buch Auf drei Beinen durchs Leben

Passt in keine Schublade: Tom Belz erzählt von seinem Leben mit nur einem Bein und versichert, dass man dennoch alles schaffen kann – auch Liegestützen. Bild: scholze

Dietzenbach – Erst einmal kommen die Kinder aus dem Staunen nicht mehr heraus. Da hockt mitten unter ihnen auf dem Boden ihres Klassenraumes ein junger Mann, den Kopf voller wilder Locken, Tätowierungen bis zum Handgelenk und mit nur einem Bein. Dabei erzählt er Geschichten von einem Leben voller Abenteuer. Tom Belz, Sportler, Musiker, Schriftsteller, Bergsteiger und Weltenbummler, hat im Alter von acht Jahren durch einen Knochentumor sein linkes Bein verloren. Den Schülern der Aquamarine-Klasse an der Montessori-Schule gibt er mit: „Es ist wichtig, seinen eigenen Weg zu finden, aber manchmal ist es auch gut, jemanden um Hilfe zu bitten.“

Zustande gekommen ist der Besuch bei den Montessori-Kindern im Alter zwischen sieben und zehn Jahren durch die mit Belz befreundete Joanna Meyer, die selbst ein Kind in der Klasse hat. Anlass ist auch das Buch „Kleiner Löwe, großer Mut“, das der Abenteurer gemeinsam mit Carolin Helm und der Illustratorin Alexandra Helm geschrieben hat. Darin erzählt er von dem kleinen Löwen Tobe, der auf drei Beinen durchs Leben läuft. Bei den anderen Tieren stößt er immer wieder auf Rücksichtnahme, dabei will er das machen, was alle kleinen Löwen auch so machen. „Was ist aber, wenn du fällst“, fragen sie ihn. „Dann stehe ich wieder auf“, erwidert Tobe.

„Das ist schon auch meine Geschichte“, teilt Tom Belz den Jungen und Mädchen nun mit. Als er in ihrem Alter war, habe er eine Grundschule in Offenbach besucht. Mit den Freunden habe er Fußball gespielt und Wettrennen gemacht. „Da hatte ich noch zwei Beine“, sagt er. Irgendwann habe es aber angefangen mit den Schmerzen im linken Bein. „Das war ziemlich nervig“, erinnert sich Belz. Die Diagnose Knochenkrebs habe erst einmal Schluss gemacht mit dem bisherigen Leben. „Ich musste ein ganzes Jahr lang im Krankenhaus bleiben und habe durch die Behandlung alle Haare verloren“, berichtet er den Kindern. Schlimm sei auch die Langeweile gewesen. „Stellt euch mal vor, da gab es noch kein Internet und nur einen kleinen Fernseher ganz oben an der Wand.“

Trotz der Behandlung habe man ihm schließlich das Bein amputieren müssen. „Als ich wieder in der Schule war, haben erst einmal alle komisch geguckt.“ Er habe Namen bekommen wie „der Flamingo“ oder „der einbeinige Pirat“. Belz erinnert sich: „Das war schon schwer und ich hatte das Gefühl, mich beweisen zu müssen.“ Dabei wollte er wieder Fußball spielen und rennen, Fahrrad fahren und schwimmen. „Das habe ich dann auch gemacht“, stellt er fest. Sogar im Verein. Dort rannte er auf dem Fußballplatz mit den Krücken dem Ball nach, auch wenn es Gelbe Karten hagelte, weil die Gehhilfen als Verlängerung der Hand angesehen wurden. „Wie schaffst du das denn alles?“, wundern sich die Montessori-Schüler. „Ganz normal eigentlich, ich habe halt mehr Kraft im Oberkörper, das hilft“, sagt Belz. Vielleicht sei alles, was er mache ein bisschen schwerer, „aber ich kenne es ja nicht anders.“

Neben geduldigen Antworten nach seinem Lieblingsessen, dem Lieblingsland und den bevorzugten Süßigkeiten gibt Tom Belz im weiteren Gespräch fast wie nebenbei auch einige Botschaften mit. So geht es etwa um Unterschiedlichkeit, wobei der Abenteurer feststellt: „Die Frage ist doch eher, was ist normal.“ Allzu oft werde er in eine Schublade gesteckt, in die er gar nicht gehöre. Wichtig sei es daher immer, ins Gespräch zu kommen. „Ich wünsche mir, dass die Leute mich ansprechen und mir ihre Fragen stellen.“ Großes Erstaunen erntet er gar, als er berichtet, dass er vor ein paar Jahren den Kilimandscharo bestiegen hat. „Da bin ich eine Woche lang nur gelaufen.“ Indes sei er schon immer besonders aktiv gewesen, wenn jemand ihm gesagt hat, er würde etwas nicht schaffen.

Gegen Ende des Besuches schlägt ein Junge dann vor, Belz mit einem „Roboterbein“, also einer Prothese zu helfen. Da das sicher teuer sei, könnte vielleicht eine Sammlung nützen, „wenn viele jeweils nur einen Euro geben, reicht es bestimmt irgendwann.“ Das rührt Tom zwar, aber: „Da die Amputation so hoch angesetzt war, wäre eine Prothese zurzeit nur eine Behinderung für mich“, sagt er. Eventuell würde er sie später einmal einsetzen, wenn er älter und nicht mehr so fit sei. Seine derzeitige Konstitution kann er dann sogleich unter Beweis stellen. Auf die Frage, ob er auch Liegestütze schaffe, gibt er nicht nur eine Demonstration ab, sondern fordert die Kinder auf, mitzumachen. „Aber das linke Bein bleibt am Boden“, gibt er vor. Zum Abschied erhält Tom Belz noch eine sogenannte warme Dusche, also eine positive Rückmeldung von jedem kleinen Gastgeber. „Ich finde dich sehr cool“, heißt es da.

Von Barbara Scholze