Kurz vorm Gipfel Hartmut Wirth berichtet über Abenteuer am Achttausender

Hartmut Wirth unterlief nicht der Fehler, der vielen Bergsteigern im Himalaya das Leben kostet. Er kehrte 200 Höhenmeter vor dem Gipfel des sechsthöchsten Berges der Welt um. Foto: Mangold

Offenbach (man) – Der Cho Oyu im Himalaya ist mit 8.188 Metern über dem Meeresspiegel der sechsthöchste Berg der Welt. In der Bergsteigerszene steht der in dem Ruf, dass er sich auf einer bestimmten Route leichter besteigen lasse. Statistisch betrachtet ist der Cho Oyu jedenfalls der ungefährlichste unter den Riesenbergen.

Das heißt, nur jeder 65. Gipfelaspirant kommt ums Leben. Auf dem Mount Everest stirbt jeder 27., meist bei dem Versuch, wieder wohlbehalten nach unten zu gelangen. Den K2 erklomm bisher 302 Mal ein Mensch, 48 Bergsteiger blieben für immer oben. Hartmut Wirth hat unlängst in Jöckel’s Steak- und Schnitzelhaus auf der Rosenhöhe auf Einlandung der Offenbacher Sektion des Alpenvereins einen Vortag über seine Erlebnisse auf dem Cho Oyu gehalten. Der langjährige Lehrer für Deutsch und Sport an der Rudolf-Koch-Schule musste bis zu seiner Pensionierung warten, ehe er sich auf den Weg machen konnte. Denn eine Tour wie diese dauert vier Wochen.

„Wegen der klimatischen Bedingungen kommt nur der Herbst in Frage“, erklärt Wirth, warum sich Sommerferien nicht eignen. Der drahtige Mann erzählt vom Basislager des Berges, das auf 5.700 Metern liegt „und damit eigentlich um mindestens 300 Meter zu hoch“.

Die Luft wird dünn

Das Hauptproblem für den Bergsteiger ist der Sauerstoff. Oberhalb von 5.400 Metern wird die Luft so dünn, dass der Mensch mehr an Energie verbraucht, als er zu sich nehmen kann. Manchen wird es schon auf einer Höhe von 3.500 Metern übel. Er habe wohl auch genetisch bedingt Glück, vermutet der 66-Jährige, warum ihn selbst in extremen Höhen keine Kopfschmerzen plagen.

Sowieso ist Wirth fit wie kaum ein Zwanzigjähriger. Mit 55 rannte er den Marathon schon unter drei Stunden und die 100 Kilometer lief er bereits deutlich unter neun Stunden. Aufs Bergsteigen kamen Hartmut Wirth und seine Frau Dorothee erst relativ spät, „erst mit Mitte 40, als die Kinder schon älter waren“. Anfangs war das Ehepaar auch in den Alpen noch mit Bergführern unterwegs. Dass auch hier Bergsteiger ums Leben kommen und nicht nur im Himalaya, erfuhr Wirth vor 16 Jahren, als er sich mit einem Bekannten aus Südtirol zu einem Gang durch die französischen Alpen verabredet hatte. Die Tour fiel aus. Der Bergfreund kam zuvor bei einem Lawinenabgang ums Leben.

Gefahr durch Lawinen

Die höhere Lawinengefahr war auch der Grund für Wirth, den Cho Oyu dem Shishapangma vorzuziehen. Der Berg mit der Höhe von 8.027 Metern stand ebenfalls zur Debatte, ist aber für seine ständigen Lawinenabgänge berüchtigt. Während sich Wirth im September 2014 in der Gegend aufhielt, kamen zwei deutsche Bergsteiger um. Ein dritter überlebte schwer verletzt.

Wirth erzählt von den verschiedenen Lagern. Auch die erfahrensten Profis können nicht einfach von Europa rüber fliegen und mal locker auf einen 8.000er steigen. Ohne sich ausführlich zu akklimatisieren, geht gar nichts. Vom Basislager auf 5.700 Meter geht es ins Lager eins, das 600 Meter höher liegt. Im Anschluss führt der Weg wieder zurück. Später geht es wieder in Lager eins mit Übernachtung, von dort in Lager zwei auf 7.300 Metern Höhe: „Ab 7.000 Meter wird es gefährlich. Man nimmt nur noch 30 Prozent an Sauerstoff auf.“ Von Lager drei auf 7.500 Metern geht es zum Gipfel.

 „Der Moment fühlte sich wie das Paradies an.“

Wirth spricht von der schönsten Tour seines Lebens, obwohl er den Gipfel nicht erreichte. Beim Anstieg gab ihm ein argentinischer Arzt klipp und klar zu verstehen, dass der mit seiner schweren Bronchitis sofort umkehren müsse, bevor ihn eine Lungenentzündung ereile. Zwar hatte der top- trainierte Wirth noch das Gefühl, trotz des gesundheitlichen Handicaps könne er es schaffen, genau das sei jedoch der Moment, der viele nicht mehr zurückkehren lässt: „Ich wäre wohl gestorben.“ Den Rückweg ging er alleine, stets mit der Möglichkeit, über Funk mit dem Basislager Kontakt aufzunehmen. Eine Stunde bevor er dort nach 17 Stunden und zwei Stürzen einlief, kam ihm ein Sherpa entgegen, der ihm einen Liter heißen Orangensaft gab: „Der Moment fühlte sich wie das Paradies an.“

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