Psychiatrische Klinik am Sana Klinikum Offenbach verabschiedet Musiktherapeut Karl-Friedrich Emmerich Improvisation fördert Emotionen zutage

Karl-Friedrich Emmerich (rechts) weiß die Patienten bei seinem Nachfolger Hartmut Göbel in guten Händen und übergibt daher gerne den „Staffelstab“ – die Gitarre. Foto: p

Offenbach (red) – Nach fast 22 Dienstjahren verabschiedet sich die von Dr. Till Glauner geleitete Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Sana Klinikum Offenbach von ihrem Musiktherapeuten Karl-Friedrich Emmerich, der im Juli in den Ruhestand tritt.

Nach seiner Ausbildung in den Achtzigerjahren und einer ersten Station in Bielefeld in der Akutpsychiatrie von Bethel nahm Emmerich im Januar 1999 seine Arbeit am Offenbacher Klinikum auf. „Wie viele Musiktherapeuten in dieser Zeit habe ich erst auf Umwegen zu meiner Berufung gefunden“, betont er. „Als 13-jähriger habe ich mit dem Gitarrenspiel angefangen, während der Ausbildung zum Musiktherapeuten kamen andere Instrumente dazu. Nach meiner Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann für Herrenkonfektion habe ich im Anschluss an meinem Zivildienst als Gitarrenlehrer angefangen. Da war mir endgültig klar geworden, dass ich die Musik zu meinem Beruf machen will.“

Dass er solange am Offenbacher Klinikum bleiben würde, hat er selbst nicht für möglich gehalten. Er ist dankbar für das Vertrauen, dass er in all den Jahren bei seinen Kollegen, insbesondere aber auch bei seinen Patienten genossen hat. „Einen Musiktherapeuten wie Herrn Emmerich, der gleichermaßen fachlich versiert wie den Menschen zugewandt ist, findet man nur selten“, lobt Chefarzt Dr. Till Glauner. „Mit seiner empathischen Art hat er die Menschen für sich gewonnen – und die Patienten sind bei ihm in den besten Händen gewesen. Er hat viel Zeit und Herzblut in seine Arbeit investiert. Das tut man nur, wenn man sich voll und ganz mit seiner Arbeit identifiziert, wenn einem die Menschen, für die man da ist und mit denen man arbeitet, wirklich am Herzen liegen. Insbesondere für chronisch erkrankte Patienten war seine langjährige Tätigkeit in unserer Klinik ein großer Vorteil, denn so konnten sie zu ihm eine Beziehung auf Basis eines guten Vertrauensverhältnisses aufbauen.“

Einer beginnt, die anderen folgen

Karl-Friedrich Emmerich bietet Gruppentherapiesitzungen, aber auch Einzeltherapien für Patienten aller Altersstufen an. Die Teilnahme am musiktherapeutischen Angebot ist am Sana Klinikum Offenbach freiwillig. Die Patienten müssen lediglich Interesse und Bereitschaft am kreativen Gestalten mit musikalischen Mitteln zeigen. Das Spielen eines Instrumentes ist keine Voraussetzung. „Wer sich auf die Therapie einlässt, kann sich selbst hören und erleben. Musik ist eine ganz besondere Sprache, um eigene Stimmungen und Emotionen nonverbal durch Töne, Tonfolgen und Rhythmen auszudrücken. Es wird kein Takt, kein Rhythmus, keine Melodie vorgegeben. Es geht um reine Improvisation und um den experimentellen Umgang mit Musik, die so zu einem ausgezeichneten diagnostischen Mittel wird. Jeder Patient kann bei jeder Sitzung selbst entscheiden, welches Musikinstrument heute zu ihm passt, mit welchem er sich wohlfühlt. Darüber hinaus gewinnt der Teilnehmer der Musiktherapie viele wertvolle Erfahrungen für sich selbst. In der Gruppentherapie erleben sich die Patienten gegenseitig. Jeder hört etwas vom anderen und fragt sich: Wie erlebe ich mich, wie erlebe ich die anderen? Dabei fange ich in der Therapie nicht an zu spielen“, betont Emmerich. „Es ist Aufgabe der Teilnehmer, die Initiative zu ergreifen. Und schon nach ein paar Sekunden fängt irgendein Teilnehmer von selbst an zu musizieren. Dann folgen die anderen automatisch, solange sie möchten. Es gibt auch keinen festen Schluss für alle. Deshalb begleite ich die Patienten, bis alle mit dem Musizieren aufgehört haben. Keiner soll das Gefühl haben, nur noch alleine zu spielen.“ Im Nachgang folgt ein gemeinsames Gespräch über das Spiel und wie es einem dabei ergangen ist oder was man dabei erlebt hat.

Doch nicht nur Karl-Friedrich Emmerich fällt der Abschied schwer. Bereits seit einem Jahr hat er seinen Patienten immer wieder erzählt, dass er in den Ruhestand geht, um sie nicht unvorbereitet zu verlassen.

Nachfolger bereits eingearbeitet

Seinen Nachfolger hat er einige Wochen eingearbeitet, sodass sich die Patienten auch mit ihm schon vertraut machen konnten. „Ich bin froh, dass Hartmut Göbel mein Nachfolger ist. Wir kennen uns schon seit Jahren über externe Fortbildungen und andere berufliche Zusammenhänge, und ich weiß die Patienten bei ihm in sehr guten Händen.“

Hartmut Göbel ist im Erstberuf Diplompädagoge und ähnlich wie Emmerich durch das eigene Gitarrenspiel und seine Erfahrungen in Bands sowie mit Musik-Projekten in der pädagogischen Arbeit zur Musiktherapie gekommen.

Nach dem Studium der Erziehungswissenschaft an der Goethe-Uni Frankfurt absolvierte er den berufsbegleitenden Aufbaustudiengang „Musiktherapie“ an der FH-Frankfurt und arbeitete als Musiktherapeut mit körperlich und seelisch beeinträchtigten Menschen in verschiedenen Zusammenhängen und unter anderem in der Erwachsenenpsychiatrie bei Vitos Hochtaunus. Zuletzt war Göbel als Musiktherapeut in der Kinder- und Jugendpsychiatrie der Uniklinik Frankfurt und freiberuflich beispielsweise für den Frankfurter Verein für soziale Heimstätten tätig. Der 51-Jährige freut sich auf sein neues Arbeitsumfeld und zählt mit seinem Engagement ebenso wie Emmerich zu jenen Menschen, die voll und ganz ihrer Berufung folgen.