Greg de Neufville hat im Bahnhof Ober-Roden die „Station 1“ eröffnet Ende der Durststrecke

Der schönste Platz ist für Greg de Neufville nicht an der Theke, sondern dahinter. Die „Station 1“ im Bahnhof Ober-Roden hat endlich offen. Foto: löw

Ober-Roden – Anderswo gehen die Kneipenlichter aus, im stylischen Anbau des denkmalgeschützten Bahnhofs leuchten sie seit ein paar Tagen. Greg de Neufville hat die „Station 1“ eröffnet. Knapp 70 Gäste haben Platz und die Wahl zwischen Klassikern wie Schnitzeln, Steaks und Burger oder den für Rödermark neuen Poke Bowls, die von Anfang an kräftig bestellt werden.

„Kulinarik hat auch etwas mit Entdecken zu tun“, begründet der Vollblutgastronom den Run auf das Superfood, das in Hawaii Nationalgericht ist: eine Schüssel (Bowl) Fischsuppe mit allerlei Gesundem wie Kichererbsen, Linsen und Edamame. Kommt sie lauwarm auf den Tisch, ist das kein Grund zum Reklamieren, sondern zeigt, dass der Koch das Originalrezept kennt. Der auch als Musiker und Musikproduzent erfolgreiche de Neufville betreibt seit einiger Zeit in Seligenstadt das „Main Château“, ein exklusives Hotel mit feiner Küche. Auch in Frankfurt hatte er zwei Lokale. Die „Station 1“ soll gehoben, aber nicht abgehoben sein. Seine Mischung aus klassischer Kneipe und Restaurant hat nach fast acht Jahren den gastronomischen Stillstand im Bahnhof Ober-Roden beendet.

Vor gut einem Jahr hatte es nämlich mächtig gerumst zwischen der Stadt und Investor Hans-Jörg Vetter, der das unter Denkmalschutz stehende Gebäude 2013 von ihr gekauft hatte. Die im Vertrag festgeschriebene Gastronomie sollte das Herz sein, doch eben dieses Herz wollte und wollte nicht schlagen. Vetter fand keinen Wirt, der sein Konzept umsetzen wollte.

Anfang 2021 war er dann da, der Gastronom mit dem geforderten Herzblut und zwei Partnern, die die „Station1“ GmbH gründeten: der frühere Olympiaturner Daniel Winkler, der in Ober-Roden wohnt, und sein Geschäftspartner Carsten Barna. Sie investierten mehrere hunderttausend Euro; aus dem Rohbau wurde innerhalb weniger Monate ein Lokal, das sich von der Konkurrenz abhebt: Blanker Beton an Decke und Wänden bildet den Kontrast zum Holz der Theke und der Tische. Im Wortsinne abgerundet wird der Gastraum durch ein Bild, das an frühere Eisenbahn-Herrlichkeit erinnert. Greg de Neufville hätte gerne am 1. Mai eröffnet. Die Perspektive war damals gut, die Corona-Zahlen sanken. Aber zuerst fand er kein qualifiziertes Personal, dann bekam er den Mangel an Materialien für den Innenausbau zu spüren.

„Die Holzpreise haben sich verdoppelt“, schildert den dicksten Brocken. Ein anderes Beispiel ist eher zum Lachen: Simple Seile, die um die Stromkabel der Lampen gewickelt sind, waren zunächst gar nicht zu haben. Und als sie endlich in Ober-Roden eintrudelten, waren’s so viele, dass er drei Kneipen hätte aufmachen können, berichtete Greg de Neufville gestern.

Sobald es wärmer wird, will er seine Gäste auch auf dem Dach des halbrunden Anbaus bewirten. Kunstrasen sollte für Biergartenflair sorgen. Allerdings hätten die paar Quadratmeter künstliches Grün an die 6 000 Euro gekostet – ohne Verlegen. Der Wirt überlegt noch.

Greg de Neufville hat inzwischen eine Kernmannschaft gefunden. Zu der gehören Koch Kalli Arndt-Löbich sowie Alexandra Zamam und Marco Kratz für den Service. Momentan wird abends um 17 Uhr aufgeschlossen. Wenn de Neufville weitere gute Leute findet, soll’s schon um 11 Uhr losgehen.

Personal und Material fehlen ihm auch noch für den Kiosk zum Bahnsteig hin, aus dem er am liebsten morgens ab fünf Pendler mit Kaffee, einem frühen Müsli oder Brötchen versorgen will.

VON MICHAEL LÖW